Paula P. Meier
Muttermilch ist für die Gesundheit jedes Kindes wichtig, doch unter bestimmten Umständen ist es ganz besonders schädlich, wenn ein Kind keine Muttermilch bekommt, z. B. wenn es sich um einen frühgeborenen Säugling handelt. Die Kapitel in Teil III (Kapitel 16 bis 20) befassen sich mit der wissenschaftlichen Evidenzlage, Best Practice-Beispielen und den Forschungsprioritäten für 3 dieser besonderen Umstände. Außerdem wird der mögliche Einsatz von pasteurisierter Spenderinnenmilch als Zusatz- oder Ersatznahrung betrachtet. All diese Kapitel kommen übereinstimmend zu dem Schluss, dass die Entscheidung für die Ernährung eines Säuglings mit Muttermilch auf wissenschaftlich fundierter Basis getroffen werden sollte, statt routinemäßig davon auszugehen, dass man „mit pasteurisierter Spenderinnenmilch oder Säuglingsmilchnahrung auf Nummer sicher gehen“ würde.
In diesem Abschnitt wird auch wissenschaftlich begründet, weshalb sich die einzigartigen Nährstoffe und bioaktiven Komponenten der Muttermilch nicht ohne Weiteres durch Spenderinnenmilch ersetzen lassen (u.a. infolge der Pasteurisierungs- und Lagerungsprozesse). Zudem werden wissenschaftliche Belege dafür vorgebracht, dass Säuglingsmilchnahrung, insbesondere für unreif geborene Kinder in der ersten Lebensperiode, sogar schädlich sein kann. Studien haben ergeben, dass das Füttern mit Säuglingsmilchnahrung unter diesen Umständen mit kurz- und langfristigen Gesundheitsschäden verbunden sein kann, weil sie entzündungsfördernde Eigenschaften hat und sich negativ auf die frühe ernährungsbedingte Stoffwechselprogrammierung auswirkt. Dies spricht für das Konzept, dass die Beratung von Müttern hinsichtlich der Ernährung von Frühchen auf der Neugeborenen-Intensivstation (Neonatal Intensive Care Unit, NICU) stets einzelfall- und situationsbezogen erfolgen sollte – immer jedoch in dem Wissen, dass der Nutzen einer Ernährung mit Milch der eigenen Mutter die Risiken bei weitem übersteigt.
Teil III beginnt mit Kapitel 16, das ich selbst zusammen mit TeamkollegInnen geschrieben habe, die allesamt ExpertInnen für die Ernährung von NICU-Säuglingen mit Muttermilch sind: Dr. Beverly Rossman, Dr. Aloka L. Patel, Dr. Tricia J. Johnson, Dr. Janet L. Engstrom, Dr. Rebecca A. Hoban, Dr. Kousiki Patra und Dr. Harold R. Bigger. Sie alle haben auch Praxisbeispiele und Empfehlungen eingebracht, wie sich sicherstellen lässt, dass diese besonders gefährdeten Säuglinge von den lebensspendenden Eigenschaften der Muttermilch profitieren können. Ergänzend hierzu enthält Kapitel 17 eine Zusammenfassung von Gesprächen mit angesehenen ExpertInnen für Muttermilchbanken. Es werden praktische Ansätze vorgestellt, mit denen sichergestellt werden kann, dass Säuglinge im größtmöglichen Umfang mit der Milch ihrer leiblichen Mutter ernährt werden und nicht vorschnell auf die weniger optimale Spenderinnenmilch zurückgegriffen wird. Jede der vorgestellten Strategien macht deutlich, dass fachübergreifend ausgebildete ExpertInnen für Laktationsprozesse, Humanmilchwissenschaft (Human Milk Science) und Pädiatrie (einschließlich Neonatologie für die NICU) benötigt werden.
Darauf folgt Kapitel 18 von Dr. Lukas Christen, einem Forscher der Hartmann Human Lactation Research Group. Er stellt vielversprechende Alternativen zu derzeitigen Pasteurisierungsverfahren vor, an denen derzeit geforscht wird, um die Beseitigung von Krankheitserregern und die Lagerung von Spenderinnenmilch weiter zu verbessern.
Das darauf folgende Kapitel befasst sich mit einem Thema, das im vergangenen Jahrzehnt viel Aufmerksamkeit erfahren hat: stillende Mütter, die HIV-positiv sind (Kapitel 19). Prof. Anna Coutsodis, Professorin für Pädiatrie und Kindergesundheit an der University of KwaZulu-Natal, betrachtet die Risiken, Optionen und neuesten Empfehlungen von Fachleuten.
Den Abschluss von Teil III bildet Kapitel 20 von Prof. Tom Hale, Professor für Pädiatrie und Associate Dean of Research, und Dr. Teresa Ellen Baker, MD, FACOG, beide von der Texas Tech University Health Sciences Center School of Medicine. Sie befassen sich mit verschiedenen Aspekten, die es zu beachten gilt, wenn eine stillende Mutter medikamentös behandelt werden muss. Zwar gehen alle Arzneimittel zu einem gewissen Grad in die Muttermilch über, doch sind die Risiken je nach Wirkstoffklasse ganz unterschiedlich. Die meisten Arzneimittel haben wenig bis keine Auswirkungen auf Säuglinge. Andere dagegen bringen Risiken mit sich, die ÄrztInnen und Müttern bewusst sein sollten. Die AutorInnen gehen auf diese Wirkstoffklassen ein und beschreiben die Nutzen-Risiko-Analysen, die im Sinne einer optimalen Gesundheit von Mutter und Kind vorgenommen werden müssen. Sie informieren darüber, wie sich die Exposition des Säuglings gegenüber verschiedenen Arzneimitteln messen lässt, und erörtern die zu berücksichtigenden Aspekte und Empfehlungen für ÄrztInnen, die stillenden Müttern Arzneimittel verordnen. Abschließend verweisen die AutorInnen auf weitere Quellen für Unterstützung und Beratung zum Thema.