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19 Humanes Immundefizienzvirus (HIV)

Published onJul 01, 2018
19 Humanes Immundefizienzvirus (HIV)
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19 Humanes Immundefizienzvirus (HIV)


Anna Coutsoudis, Prof, PhD, BSc Hons

Zentrale Lerninhalte

  • Sicherheitsaspekte des Stillens bei HIV-positiven Müttern

  • Empfehlungen für die antiretrovirale (ARV) Therapie

  • Überlegungen für EntscheidungsträgerInnen

19.1. Die Forschungsperspektive

19.1.1. Entwicklung von Leitlinien für die Säuglingsernährung

Seitdem im Jahr 1985 erstmals über die Übertragbarkeit des humanen Immundefizienzvirus (HIV) durch Muttermilch berichtet wurde, war das Thema Stillen durch HIV-positive Mütter Gegenstand zahlreicher Debatten und Kontroversen und hat auch für erhebliche Verwirrung gesorgt. Daraufhin wurde in den USA durch die Centers for Disease Control and Prevention zunächst die Empfehlung ausgegeben, dass HIV-infizierte Mütter nicht stillen, sondern Milchersatznahrung verwenden sollten [1]. Dies führte jedoch in ärmeren Ländern zu Problemen, da es hier schwierig war, dieser Empfehlung zu folgen, ohne das Leben der Kinder in erheblichem Maße zu gefährden. Damit standen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und andere Gremien vor dem Dilemma, dass zweierlei Leitlinien erforderlich waren – eine für arme und eine für reiche Länder. Schließlich sprach sich die WHO für eine kürzere Stilldauer (3–4 Monate) als sicherste Option – oder aber für einen kompletten Verzicht auf das Stillen aus, sofern dies ohne Sicherheitsbedenken durchführbar sei [2].

Es wurde erheblicher Aufwand betrieben, um Kinder HIV-infizierter Mütter mit „sicherer“ Ersatznahrung zu versorgen. Mehrere Länder und internationale Organisationen verteilten kostenlose industriell hergestellte Säuglingsmilchnahrung an die betroffenen Mütter, um das Risiko der HIV-Übertragung durch Muttermilch zu verringern. Mehrfach wurden Apelle laut, diese Praxis zu überdenken [3], [4], doch diese verhallten in der Regel ungehört. Stattdessen konzentrierten sich Regierungen und Nichtregierungsorganisationen darauf, die Risiken einer Verunreinigung bei der Zubereitung von industriell hergestellter Säuglingsmilchnahrung zu minimieren. Dabei übersahen sie jedoch, dass selbst die „hygienischste“ Säuglingsmilchnahrung den Säugling nicht mit den lebenswichtigen Immunkomponenten versorgt, die in der Muttermilch enthalten sind und das Kind vor tödlichen Infektionskrankheiten schützen [5].

In dieser Zeit wurde in einer Studie in Südafrika eine erstaunliche Beobachtung dokumentiert: Die AutorInnen berichteten, dass das Risiko einer HIV-Übertragung auf das Kind bei Müttern, die ihr Kind mindestens 3 Monate lang ausschließlich gestillt hatten, signifikant niedriger war als bei den Müttern, die nicht ausschließlich gestillt hatten [6].

Zu ähnlichen Ergebnissen kamen bald auch weitere Studien im afrikanischen Raum, und der Befund wurde in die überarbeiteten WHO-Leitlinien von 2006 aufgenommen [7]. In den überarbeiteten Leitlinien wurde für Frauen, bei denen Milchersatznahrung nicht als akzeptabel, praktikabel, bezahlbar, nachhaltig oder sicher galt, ein ausschließliches Stillen über 6 Monate empfohlen. Die WHO erkannte an, dass das mit industriell hergestellter Säuglingsmilchnahrung verbundene Risiko variabel war und von vielen mütterlichen und gesellschaftlichen Faktoren abhing, u.a. vom Zugang zu sauberem Wasser und zu Gesundheitsleistungen. Deshalb sprach sich die WHO dafür aus, eine Ernährung mit Milchersatzprodukten nur dann in Betracht zu ziehen, wenn diese als „akzeptabel, praktikabel, bezahlbar, nachhaltig und sicher“ galt.

Nach Einführung dieser Leitlinien wurde in vielen Programmen darüber berichtet, dass sowohl Mütter als auch das Fachpersonal im Gesundheitswesen die Empfehlung so verstanden hatten, dass lediglich ein ausschließliches Stillen über 6 Monate empfohlen wurde. Dies wiederum führte dazu, dass frühzeitig komplett abgestillt wurde, sobald dieser Zeitraum des ausschließlichen Stillens vorbei war. Laut einer randomisierten kontrollierten Studie in Sambia hatte das frühe Abstillen zu einer erhöhten Säuglingssterblichkeit insgesamt geführt, besonders aber bei HIV-infizierten Kindern [8]. Auch ging aus Länderberichten und verschiedenen Studien hervor, dass immer mehr Kinder, die zur Vermeidung einer HIV-Übertragung nicht gestillt wurden, an Diarrhö oder Pneumonie verstarben [9], [10], [11].

Solche Vorkommnisse schärften erneut das Bewusstsein dafür, wie wichtig das Stillen für das Überleben des Kindes ist, und die Forschung beschäftigte sich nun verstärkt damit, wie das Stillen beibehalten und sicherer gemacht werden kann, indem das Risiko einer HIV-Übertragung verringert wird. Zuvor wurde bereits klar nachgewiesen, dass das Übertragungsrisiko beim Stillen eng mit der CD4-Zellzahl und der Viruslast der Mutter zusammenhängt. Daraus ergab sich die Überlegung, dass die zur wirksamen Senkung der HI-Viruslast eingesetzten Antiretroviralia (ARV) auch zur Verminderung des HIV-Übertragungsrisikos beim Stillen eingesetzt werden könnten (wie dies bereits in utero und unter der Geburt der Fall war). In Studien konnte das Übertragungsrisiko auf < 2% gesenkt werden, indem man den Müttern eine Kombination von ARV oder den Kindern eine 1- oder 2-fache Wirkstoffprophylaxe verabreichte. In mehreren Studien aus dem Zeitraum 2000–2009 [12] hat sich bestätigt, dass diese Wirkstoffe die HIV-Übertragungsraten beim Stillen signifikant reduzierten.

Angesichts dieser Studien wurde eine erneute Überarbeitung der Leitlinien erforderlich. Im Jahr 2010 sprach sich die WHO für den Einsatz von ARV aus, um eine postnatale HIV-Übertragung beim Stillen zu verhindern [13], [14]. Außerdem empfahl die WHO ihren Mitgliedsstaaten, bei allen HIV-infizierten Frauen, die sich in einem Gesundheitssystem in Behandlung begaben, eine einheitliche Vorgehensweise bei der Kinderernährung zu fördern und zu unterstützen. In früheren Leitlinien spielte das Fachpersonal im Gesundheitswesen eine stärkere Rolle, da die Leitlinien empfahlen, HIV-infizierte Mütter zu ihren Ernährungsoptionen individuell zu beraten und dabei auch die persönliche Lebenssituation und das soziale Umfeld zu berücksichtigen.

Die neuen Leitlinien führten jedoch zu einer Abkehr von diesem individualisierten hin zu einem systemweiten Ansatz. Die Länder wurden aufgerufen, unter Berücksichtigung des sozioökonomischen und kulturellen Kontexts ihrer Bevölkerung in ihrem Gesundheitssystem entweder das Stillen oder die Fütterung mit industriell hergestellter Säuglingsmilchnahrung zu unterstützen. Es wurde empfohlen, dass Frauen etwa 12 Monate lang stillen und Frauen mit einer CD4-Zellzahl ≤ 350 vorrangig einer ARV-Behandlung zugeführt werden sollten. Bei Frauen mit einer CD4-Zellzahl > 350 empfahl die WHO, entweder die Kinder für die Dauer der Stillzeit prophylaktisch mit Nevirapin (NVP) zu behandeln (Option A) oder den Müttern eine ARV-Prophylaxe mit 3 Wirkstoffen zu verabreichen (Option B).

Erneut mussten die Leitlinien im Lichte neuer Erkenntnisse aus der Forschung überarbeitet werden. Aus einigen Studien wurden Hinweise darauf abgeleitet, dass der Beginn einer ARV-Behandlung bei schwangeren oder stillenden HIV-infizierten Frauen mit einer CD4-Zellzahl < 350 die Gesundheit der Frauen verbessern und die Wahrscheinlichkeit der Virusübertragung auf ihre Sexualpartner verringern würde. Angesichts dieses potenziellen Zusatznutzens für die mütterliche Gesundheit empfahl die WHO den Ländern, Option B den Vorzug vor Option A zu geben [15].

Als das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) den Bericht Clinton Health Access Initiative Business Case veröffentlichte [16], wurden die Länder nachdrücklich aufgefordert, ihre Programme auszuweiten und das neu konzipierte Programm „Option B+“ einzuführen. Bei dieser Option wurde empfohlen, dass alle HIV-infizierten Frauen schon früh in der Schwangerschaft eine Therapie mit ARV beginnen und diese lebenslang fortführen sollten; auch Frauen mit höheren CD4-Zellzahlen sollten demnach die antiretrovirale Therapie nach dem Abstillen nicht mehr absetzen. Die im Jahr 2013 von der WHO veröffentlichten konsolidierten Leitlinien zum Einsatz von ARV in der Behandlung und Vorbeugung von HIV-Infektionen enthielten dementsprechend auch die Empfehlung der Option B+ zur Anwendung von ARV, um eine postnatale Übertragung zu verhindern [17]. Im Jahr 2016 wurde die WHO-Leitlinie abermals aktualisiert; hervorzuheben ist hier die Verlängerung der empfohlenen Stilldauer von 12 auf 24 Monate [18].

Inzwischen ist umfassend belegt, dass die HIV-Übertragungsrate beim Stillen über 6–12 Monate vernachlässigbar gering ist, insbesondere wenn die Mutter in der 14. Schwangerschaftswoche mit der ARV-Prophylaxe beginnt, diese während der Schwangerschaft, Entbindung und Stillzeit fortführt und dabei keine nachweisbare Viruslast hat. Dies hat sich auch in einer jüngeren Studie bestätigt, in der während einer Stilldauer von 12 Monaten eine Übertragungsrate von nur 0,28% zu verzeichnen war [19].

Doch obwohl Antiretroviralia die HIV-Übertragungsrate beim Stillen so sicher zu senken scheinen, gibt es vor allem in Entwicklungsländern 2 große und verbreitete Probleme, die dem Erfolg im Weg stehen:

  • Späte Erstvorstellung zur Schwangerschaftsbetreuung, wodurch erst in einem späten Stadium der Schwangerschaft mit der ARV-Behandlung begonnen wird, sodass bis zur Entbindungs- und Stillphase keine ausreichende Reduktion der Viruslast erreicht wird und das Übertragungsrisiko erheblich steigt.

  • Mangelhafte Therapietreue in der Stillzeit, wobei das Kind wahrscheinlich in der frühen Stillzeit am schwächsten und anfälligsten ist. Dass ARV nicht wie verordnet eingenommen werden, ist in Entwicklungsländern ein erhebliches Problem. Dies wiederum hat viele Gründe – Stigmatisierung, mangelnde soziale Unterstützung, unsichere Nahrungsmittelversorgung, mangelndes Verständnis für die mit einer fehlenden Therapietreue verbundenen Risiken sowie Versagen des Gesundheitssystems und eine daraus resultierende Wirkstoffknappheit.

19.2. Risikofaktoren für eine Übertragung

19.2.1. Nicht ausschließliches Stillen

Wie bereits dargelegt, stellt das nicht ausschließliche Stillen einen Risikofaktor für eine HIV-Übertragung dar. Deshalb wurde gefordert, das ausschließliche Stillen in den ersten 6 Lebensmonaten zu fördern. Als weiterer wichtiger Risikofaktor wurde eine hohe HI-Viruslast identifiziert. Um diese Viruslast – auch in der Muttermilch – und damit auch die Übertragungsraten zu senken, wurden Programme zur Versorgung der Mütter und/oder ihrer Kinder mit ARV aufgelegt.

In welchem Maße das ausschließliche Stillen und die ARV-Anwendung unabhängige Variablen für das HIV-Übertragungsrisiko darstellen, ist noch ungeklärt. Die Frage, ob das Risiko des nicht ausschließlichen Stillens durch eine ARV-Behandlung vollständig ausgeglichen wird, kann noch nicht eindeutig beantwortet werden. Klar ist aber, dass es auch mit ARV unverzichtbar ist, das ausschließliche Stillen zu fördern und zu unterstützen, weil damit unabhängige Effekte wie die Verhinderung von Morbidität und späteren Stoffwechselerkrankungen einhergehen.

19.2.2. Pathologien der Brust

Vor der Anwendung von ARV zur Vorbeugung einer HIV-Übertragung beim Stillen wurde darüber berichtet, dass das Risiko einer HIV-Übertragung bei Müttern mit Brustdrüsenentzündung (Mastitis) und anderen Erkrankungen der Brust erhöht ist. Müttern mit Pathologien der Brust wurde empfohlen, mit der betroffenen Brust nicht zu stillen, sondern die Milch abzupumpen bzw. auszustreichen und zu entsorgen, und nur mit der gesunden Brust weiter zu stillen. Wie beim nicht ausschließlichen Stillen liegen auch hier nicht genug Daten vor, um eindeutig zu klären, ob die mit Brusterkrankungen verbundene Risiken durch die Behandlung mit ARV aufgehoben werden. Daher gilt einstweilen die Empfehlung, die alten Leitlinien zu befolgen, bis weitere Daten vorliegen.

19.2.3. Antiretroviralia in der Muttermilch

Waitt et al. werteten im Rahmen einer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse 24 Studien aus, in denen die Konzentration von Antiretroviralia in der Muttermilch untersucht wurde [21]. Dabei stellten sie fest, dass die ARV-Konzentrationen in der Milch gegenüber jenen im mütterlichen Plasma relativ gering waren. Allerdings wurden in den Studien sehr unterschiedliche Extraktionsverfahren verwendet. Insgesamt schienen die Studien darauf hinzudeuten, dass Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTIs) in einem höheren und stärker schwankenden Maße in die Muttermilch übertreten als Nicht-NRTIs oder Protease-Inhibitoren (PIs). Die Akkumulation von PIs in der Muttermilch war minimal. Auch die Übertragungsraten dieser Wirkstoffe auf den Säugling sind sehr unterschiedlich; Lamivudin (3TC) und Nevirapin scheinen höhere Übertragungsraten aufzuweisen (5–10%), Efavirenz eine deutlich niedrigere (2–3%).

Es besteht die Befürchtung, dass die Übertragung geringer Wirkstoffmengen auf den Säugling dazu führen könnte, dass im Fall einer späteren HIV-Infektion die Arzneimittelresistenz höher wäre. Angesichts des vernachlässigbar geringen Infektionsrisikos ist dies jedoch nicht unbedingt ein vorrangiges Problem. Weitere, mit der ARV-Übertragung auf das Kind einhergehende Risiken sind ebenfalls minimal. Hierzu gehören in der Regel ein erhöhtes Anämie- und Neutropenierisiko.

19.3. Noch zu klärende Forschungsfragen

19.3.1. ARV-Prophylaxe

Es bleibt noch zu klären, welche ARV-Kombination eingesetzt werden sollte und ob die ARV-Anwendung bei der Mutter oder beim Kind zu besseren Ergebnissen führt; sowohl insgesamt als auch in Bezug auf die Schwangerschaft und die Nebenwirkungen bei Mutter und Kind. In den letzten Jahren wurde über einen Zusammenhang zwischen Anämie und Zidovudin (ZDV) bzw. Neutropenie und NVP berichtet. Außerdem wurde Kaletra mit Kardiotoxizität und einer Dysfunktion der Nebenniere in Verbindung gebracht. Aus einer systematischen Übersichtsarbeit liegen Hinweise vor, dass eine anhaltende ARV-Prophylaxe bei HIV-exponierten Säuglingen keinen negativen Einfluss auf das Wachstum und auf die Inzidenz von anderen Infektionen als HIV hat [22]. Um dies zu belegen, sind jedoch weitere Daten erforderlich. Die kürzlich veröffentlichte PROMISE-Studie [20] hat wertvolle Informationen zur Beantwortung der Frage geliefert, ob eine ARV-Prophylaxe der Mutter oder dem Säugling verabreicht werden sollte. In der Studie mit ungefähr 2400 stillenden Mutter-Kind-Paaren wurden die Paare randomisiert, wobei entweder die Mutter eine ARV-Prophylaxe oder der Säugling eine Prophylaxe mit Nevirapin für die Dauer des Stillens erhielt (Medianzeit 16 Monate). Die Ergebnisse zeigten, dass beide Strategien sicher waren und zu ähnlich niedrigen Übertragungsraten beim Stillen führten (0,57% und 0,58%).

19.3.2. ARV und Komponenten der Muttermilch

Eine kürzlich durchgeführte, qualitativ hochwertige Studie hat ergeben, dass die Konzentration von Immunglobulinen und Zytokinen im Serum und in der Muttermilch bei Müttern mit und ohne HIV-Infektion vergleichbar ist [23]. Es sind jedoch weitere Informationen über die Auswirkungen von ARV auf die immunologischen und ernährungsphysiologischen Komponenten der Muttermilch erforderlich.

19.3.3. Die Rolle von Impfstoffen

Die Wirksamkeit von Immuntherapien und Impfungen zur Reduktion des Risikos einer HIV-Übertragung beim Stillen wird derzeit untersucht [24]. Um zu klären, ob Impfstoffe eher den Müttern oder eher den Kindern verabreicht werden sollten, müssen weitere Daten erhoben werden. In verschiedenen Studien wurden bereits mehrere Impfstoffe getestet und die Impfungen haben sich als gut verträglich erwiesen (Daten zur Wirksamkeit stehen noch aus). Erste Studien zu humanen monoklonalen Antikörpern (mAk) sind vielversprechend. Derzeit wird in Studien der Einsatz von VRC01 untersucht. Dabei handelt es sich um einen humanen mAK, dessen Zielstruktur die CD4-Bindungsstelle des Gp120 von HIV-1 ist, und der auf Viren eine weitreichende neutralisierende Wirkung ausübt [25].

19.4. Strategien für sicheres Stillen

Wie vorstehend beschrieben, ist die ARV-Behandlung von Mutter und/oder Kind die wichtigste Maßnahme, um das Stillen für Kinder von HIV-infizierten Müttern sicherer zu machen. 2 weitere wichtige Strategien bestehen im ausschließlichen Stillen und in der Pasteurisierung der Muttermilch.

19.4.1. Ausschließliches Stillen in den ersten 6 Monaten

Es ist umfassend belegt, dass sich ausschließlich gestillte Kinder seltener mit HIV anstecken als nicht ausschließlich gestillte. Smith und Kuhn erläutern in ihrer Arbeit aus dem Jahr 2000 die physiologischen Mechanismen, die dieser gesicherten Erkenntnis zugrunde liegen [26]. Hervorzuheben ist, dass das ausschließliche Stillen nachweislich mit einem signifikant geringeren Risiko von Brusterkrankungen assoziiert ist [27], was wiederum das geringere HIV-Übertragungsrisiko in diesen Fällen erklären würde.

Außerdem ist bekannt, dass ausschließliches Stillen bei den Säuglingen von Primaten die Entwicklung des Mikrobioms und damit die Entwicklung des Immunsystems beeinflusst. So hat eine aktuelle Studie ergeben, dass ausschließlich gesäugte Rhesusaffen im Gegensatz zu solchen, die mit industriell hergestellter Säuglingsmilchnahrung gefüttert wurden, im Gedächtniszellpool robuste Populationen von T-Gedächtniszellen und Typ-17-T-Helferzellen entwickelten. Damit ließe sich auch der jeweils unterschiedliche Infektionsschutz erklären [28].

19.4.2. Pasteurisierung/Wärmebehandlung von Muttermilch

Frühe Arbeiten aus Südafrika haben gezeigt, dass die Erhitzung einer Flasche mit Muttermilch im Wasserbad auf 62,5 °C für eine Dauer von 30 Minuten zu einer wirksamen Zerstörung des HI-Virus führte. Dieses Vorgehen beruhte auf der Methode der Holder-Pasteurisierung, die in Muttermilchbanken sehr gebräuchlich ist, um Spenderinnenmilch zu pasteurisieren. Chantry und KollegInnen simulierten in ihrer Arbeit aus dem Jahr 2000 eine andere Methode, nämlich jene der kurzzeitigen Erwärmung auf eine hohe Temperatur (HTST), bei der die Muttermilch für eine Dauer von 15 Sekunden auf 72 °C erhitzt wurde, um HI-Viren zu zerstören [29].

Die Arbeitsgruppe konnte nachweisen, dass sich mit diesem auch als „Flash-Pasteurisierung“ bezeichneten Verfahren angereicherte zellfreie HIV-1-Erreger inaktivieren ließen, was durch Messung der Reverse-Transkriptase-Aktivität belegt wurde [30]. In einer anderen Studie führte die Kurzzeiterhitzung von natürlich infizierten Muttermilchproben, die von HIV-infizierten Müttern in Südafrika stammten, zu einer Inaktivierung von HIV [31]. Die ForscherInnen konnten also nachweisen, dass die Kurzzeiterhitzung sowohl zellgebundene als auch zellfreie HIV-Erreger inaktiviert [32]. Pilotdaten ließen den Schluss zu, dass die Kurzzeiterhitzung nur einen begrenzten negativen Effekt auf Vitamine und Proteine besitzt [30]. Eine Untersuchung von natürlich infizierten Muttermilchproben südafrikanischer Frauen erbrachte ein ähnliches Ergebnis [33].

Mittels Kurzzeiterhitzung lassen sich also pathogene und nicht-pathogene Bakterien eliminieren und eine 8-stündige ungekühlte Lagerung führt nicht zu einem wesentlichen Anstieg der Bakteriendichte [34]. Darüber hinaus ging die Wärmebehandlung nicht mit einer verringerten bakteriostatischen Aktivität der Muttermilch einher [35]. Insbesondere übersteht die Aktivität der Immunglobuline (Ig) in der Muttermilch die Erhitzung weitgehend unbeschadet, was darauf hindeutet, dass kurzzeiterhitzte Muttermilch aus immunologischer Sicht Muttermilchersatzprodukten überlegen ist. Weitere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass die Kurzzeiterhitzung das Gesamt-IgA um 20% und das Gesamt-IgG um 33% reduziert. Ein Rückgang vergleichbaren Ausmaßes war bei IgG-Antikörpern gegen das HIV-1-Protein Gp120, bei gegen Pneumokokken aktiven Polysacchariden und bei IgA gegen Poliovirus zu verzeichnen. Obwohl Letzteres am stärksten beeinträchtigt war, blieb auch hier die vor der Erhitzung vorhandene Antigenbindungskapazität noch zu 66% erhalten. Die Bindungskapazität von IgA und IgG für Influenzaviren nahm hingegen nach der Erhitzung zu [36]. Die Kurzzeiterhitzung hat sich als brauchbares Verfahren für Neugeborenen-Intensivstationen in Entwicklungsländern erwiesen [37], ebenso für ältere Säuglinge, wenn keine ARV zur Verfügung stehen [38].

19.5. Optionen für die Säuglingsernährung

So sehr sich die Politik auch um allgemeingültige Vorgaben bemüht, haben sich für die Ernährung von Babys HIV-positiver Mütter dennoch 2 unterschiedliche Szenarien entwickelt, die hauptsächlich durch den Entwicklungsstand des Landes bestimmt werden.

19.5.1. Entwickelte Länder

In der Vergangenheit wurde HIV-infizierten Müttern in entwickelten Ländern vom Stillen abgeraten bzw. es wurde ihnen untersagt. Es gibt Berichte über Mütter im Vereinigten Königreich und den USA, die deswegen strafrechtlich verfolgt wurden. Nachdem klinische Evidenz dafür vorlag, dass eine mütterliche ARV-Therapie die HIV-Übertragungsrate reduziert, veröffentlichten die Verbände British HIV Association (BHIVA) und Children’s HIV Association im März 2011 ein überarbeitetes Positionspapier [39]. Darin wurde die Empfehlung beibehalten, standardmäßig industriell hergestellte Säuglingsmilchnahrung zu füttern. Nun wurde es Müttern nach reiflicher Überlegung jedoch auch gestattet, sich in den ersten 6 Lebensmonaten des Säuglings für ausschließliches Stillen zu entscheiden, sofern sie unter einer ARV-Therapie eine Senkung der Viruslast erreicht hatten, die ARV-Therapie wie verordnet fortführten und weiterhin virologisch supprimiert blieben.

Im Jahr 2013 schloss sich die American Academy of Pediatrics (AAP) dieser Sichtweise weitgehend an und änderte ihre bis dahin vertretene Position gegen das Stillen [40]. In den überarbeiteten AAP-Leitlinien wird bei einer HIV-Infektion der Mutter weiterhin der Rückgriff auf industriell hergestellte Säuglingsmilchnahrung empfohlen. Ähnlich wie im Vereinigten Königreich werden KlinikerInnen jedoch aufgefordert, Mütter zu unterstützen, wenn sie ihr Interesse am Stillen zum Ausdruck bringen.

19.5.2. Entwicklungsländer

Wie bereits in vorhergehenden Kapiteln erläutert, hat die Ernährung mit Muttermilchersatzprodukten in Entwicklungsländern zu inakzeptablen Mangelernährungs-, Krankheits- und Sterberaten bei Säuglingen und Kleinkindern geführt [4], [41]. Schon bevor in Entwicklungsländern mit hoher Säuglingssterblichkeit mit der Anwendung von ARV begonnen wurde, haben Modelle gezeigt, dass Stillen mit höheren HIV-freien Überlebensraten einhergeht als die Fütterung mit industriell hergestellter Säuglingsmilchnahrung. Somit war es wenig überraschend, dass die HIV-freie Überlebensrate nach Einführung der ARV-Prophylaxe bei Kindern, die unter ARV gestillt wurden, signifikant höher lag als bei Kindern, die Muttermilchersatzprodukte erhielten.

Wie wichtig eine gesonderte Standardstrategie für die Säuglingsernährung in Entwicklungsländern ist, zeigt sich auch darin, dass Stillen wieder zunehmend als Beitrag zur Ernährungssicherheit der Familie und zum Schutz vor Infektionskrankheiten gesehen wird. Um das zweite der nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen zu erreichen, ist die Rückkehr zu guten Stillpraktiken unabdingbar [42]. (Das zweite nachhaltige Entwicklungsziel ist es, den Hunger zu beenden, die Nährstoffversorgung zu verbessern und bis 2030 alle Formen der Mangelernährung zu eliminieren, insbesondere in Bezug auf Wachstumshemmung und Auszehrung bei Kindern unter 5 Jahren; letzteres bis 2025).

Auch die wenigen Säuglinge, bei denen der Schutz durch ARV nicht greift und die sich mit HIV infizieren, zeigen positivere Gesundheitsfolgen, wenn sie mindestens 2 Jahre lang gestillt statt mit Muttermilchersatzprodukten gefüttert werden. Dies ist durch umfassende wissenschaftliche Evidenz belegt. Daher empfiehlt die WHO, auch HIV-infizierte Säuglinge zu stillen.

Es ist wichtig, dass eine HIV-Infektion bei Säuglingen so früh wie möglich erkannt wird. Vor Ort durchführbare und am selben Tag auswertbare HIV-Tests für Säuglinge sind zunehmend verbreitet und ermöglichen eine HIV-Diagnose kurz nach der Geburt. Diese Testung sollte gefördert werden, um sicherzustellen, dass Mütter nicht mit dem Stillen aufhören, ohne den HIV-Status ihres Kindes zu kennen.

19.6. Politische Implikationen von Empfehlungen für die Säuglingsernährung

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber, welche Faktoren das Risiko einer HIV-Übertragung beim Stillen beeinflussen und wie wirksam eine ARV-Behandlung der Mutter oder des Säuglings dieses Risiko verringert, haben den Müttern zu mehr Sicherheit verholfen, sich für das Stillen zu entscheiden. Das ist auch deshalb wichtig, weil die meisten Mütter den starken Wunsch haben, ihr Kind zu stillen und darüber auch die Mutter-Kind-Bindung zu stärken. Da mangelndes Selbstvertrauen Einfluss auf die Fähigkeit und Entschlossenheit von Müttern haben kann, ihr Kind zu stillen, haben Angehörige der Gesundheitsberufe die wichtige Aufgabe, Mütter stets mit aktuellen Informationen zu versorgen und zu unterstützen. Eine solche Unterstützung ist unabdingbar, um Mütter zu ermutigen, in den ersten 6 Monaten ausschließlich zu stillen und danach je nach Situation bis zum Alter von 24 Monaten oder darüber hinaus mit dem Stillen fortzufahren.

Eine wichtige Strategie der Stillförderung besteht darin, sich in allen Entbindungskliniken für die Umsetzung der UNICEF-Initiative Babyfreundliches Krankenhaus (Baby-Friendly Hospital Initiative, BFHI) einzusetzen [43]. Sehr wichtig ist auch, die Menschen im Lebensumfeld und insbesondere im Haushalt der Mutter für das Stillen zu gewinnen. Da jedes Gemeinwesen einzigartig ist, müssen PolitikerInnen und Gesundheitspersonal jeweils im Dialog mit den Angehörigen dieses Gemeinwesens klären, wodurch die Unterstützung stillender Mütter erschwert bzw. erleichtert wird [44].

Politische AkteurInnen müssen darüber hinaus sektorenübergreifend arbeiten und Gesetze fördern, die stillende Mütter schützen, ihnen ausreichend Mutterschaftsurlaub gewähren, um ein ausschließliches Stillen über 6 Monate zu ermöglichen, und dafür sorgen, dass sie danach am Arbeitsplatz einen Ort und Zeit zum Abpumpen haben, um ihr Kind weiterhin mit Milch zu versorgen. Wichtig sind auch politische Maßnahmen speziell für HIV-infizierte und andere Frauen mit besonderen Problemstellungen, z. B. einer schwierigen Geburt, die zur Folge haben, dass sie nicht genug Milch für ihre Kinder produzieren.

Für Kinder, die mit geringem Geburtsgewicht und/oder zu früh zur Welt gekommen sind, ist Muttermilch ganz besonders wichtig. Hier sind Strategien nötig, die die Versorgung dieser besonders schwachen Säuglinge mit Spenderinnenmilch sicherstellen, denn diese fördert den Aufbau des Immunschutzes im Darm. Es ist erwiesen, dass das Risiko einer nekrotisierenden Enterokolitis und folglich auch das Risiko einer HIV-Infektion bei Neugeborenen mit einem niedrigen Geburtsgewicht erhöht ist, wenn sie statt Muttermilch industriell hergestellte Säuglingsmilchnahrung erhalten. Außerdem deuten jüngere Studienergebnisse zum ausschließlichen Stillen bei älteren Säuglingen (gemessen mit der Deuteriumverdünnungsmethode) darauf hin, dass ein höherer prozentualer Anteil von Muttermilch an der Ernährung mit einem geringeren Risiko von Darmentzündungen einhergeht. Bei Säuglingen, die zu 100% mit Muttermilch ernährt wurden, war in Stuhlproben das geringste Vorkommen von Entzündungsmarkern nachzuweisen [45].

Muttermilchbanken, die Spenderinnenmilch ausgeben, sind in Brasilien, den USA, Kanada, Europa und Australien recht verbreitet, in den Entwicklungsländern hingegen kaum. Dabei spielen sie eine wichtige strategische Rolle für den Schutz von Säuglingen, insbesondere von HIV-infizierten Kindern in kritischen Phasen. Ein Entwicklungsland (Südafrika) hat hier Fortschritte erzielt, indem einfache Technologien eingeführt wurden, um in Neugeborenen-Intensivstationen Muttermilchbanken einrichten zu können. So können vulnerable Säuglinge, die nicht mit der Milch ihrer leiblichen Mutter ernährt werden können, in frühen kritischen Entwicklungsphasen mit Spenderinnenmilch versorgt werden, um dadurch den Darmschutz aufzubauen [46], [37]. Auch auf internationaler Ebene wird wieder verstärkt auf die Stillförderung gesetzt, insbesondere durch den strategischen Einsatz von Muttermilchbanken zur Bekämpfung der Kindersterblichkeit. Bei einem durch die Organisation PATH einberufenen Treffen der International Milk Bank Technical Advisory Group wurde ein Referenzrahmen für die staatliche Einrichtung von Muttermilchbanken ausgearbeitet [47].

Von hoher Bedeutung ist es, dass Mütter nicht nur eine optimale Stillpraxis beibehalten, sondern auch die verordnete ARV-Therapie einhalten, selbst wenn Nebenwirkungen auftreten. Oft sind diese Nebenwirkungen nicht so schwerwiegend, dass sie aus klinischer Sicht ein Absetzen oder eine Änderung des ARV-Therapieschemas rechtfertigen. Daher ist es sehr wichtig, dass politische EntscheidungsträgerInnen Strategien zur Förderung der ARV-Adhärenz in Betracht ziehen, insbesondere bei finanziell und sozial benachteiligten Müttern, die in ihrer Therapietreue oft nicht genug unterstützt werden. Hier müssen Wege gefunden werden, existierende Strukturen des Gemeinwesens, religiöse Institutionen und andere „sichere Räume“ zur Ausgabe von ARV und für Beratungsangebote zu nutzen. Politische EntscheidungsträgerInnen in Entwicklungsländern, z. B. in Afrika, müssen außerdem die zunehmende Belastung durch eine ungesicherte Ernährungslage und die besonderen Probleme von Müttern berücksichtigen, die ihre ARV hungernd einnehmen müssen [48].

WHO, UNICEF und einzelne Staaten sind weiterhin auf der Suche nach einfachen Algorithmen, um den Zugang zu ARV zu verbessern. Die Option B+ wird als sehr vielversprechend angesehen, ist aber nicht einfach umzusetzen, da die Anwendung von nur einem Wirkstoff nicht immer möglich ist und schwere Nebenwirkungen der Kombinationstabletten auf einen oder mehrere der 3 Wirkstoffe zurückgeführt werden können.

Ein weiteres Problem ist die mangelnde ARV-Adhärenz, die dazu führt, dass das Kind einem erhöhten Übertragungs- und Infektionsrisiko ausgesetzt ist. Fachpersonal im Gesundheitswesen kann fälschlicherweise davon ausgehen, dass bei allen Müttern, die ARV erhalten, eine Suppression der Viruslast vorliegt. Daher sollten staatliche Institutionen in Betracht ziehen, anstelle der CD4-Zellzahl die Viruslast zu überwachen. In Fällen, in denen Mütter ihr Therapieschema nicht einhalten oder erst spät in der Schwangerschaft mit der Einnahme der Wirkstoffe begonnen haben, wird eine zusätzliche prophylaktische Abdeckung für Säuglinge während der Stillzeit empfohlen. Anstelle einer Prophylaxe mit NVP über 6 Wochen sollten diese Säuglinge eine Doppelprophylaxe (NVP und ZDV) über 12 Wochen erhalten. Wenn Mütter die Prophylaxe aufgrund von Nebenwirkungen nicht einhalten können oder wollen, ist die Option zu erwägen, den Säuglingen eine Prophylaxe für 12 Monate oder für die gesamte Dauer der Stillzeit zu verabreichen. Eine aktuelle Studie hat ergeben, dass eine 12-monatige Prophylaxe mit Kaletra oder 3TC bei Säuglingen im Alter von 12 Monaten zu einer sehr niedrigen Übertragungsrate von 1,4–1,5% führte [49].

Diese begrüßenswerte Änderung der Leitlinien für die Säuglingsernährung wird nun dazu führen, dass viele HIV-exponierte Säuglinge über einen längeren Zeitraum vom Nutzen des Stillens profitieren können und das HIV-Infektionsrisiko dabei vernachlässigbar gering bleibt. Und die Änderung hat eine weitere Maßnahme in den Fokus gerückt, die nun der Überprüfung bedarf, nämlich die tägliche Cotrimoxazol-Prophylaxe für HIV-exponierte, nicht infizierte Säuglinge. Diese Maßnahme wurde ursprünglich vor fast 15 Jahren von der WHO eingeführt [50], nachdem ihre Wirksamkeit beim Schutz HIV-infizierter Säuglinge nachgewiesen wurde. Man nahm an, dass das Risiko einer HIV-Infektion über das Stillen durch HIV-infizierte Mütter sehr hoch sei und die Kinder deshalb im Falle einer Infektion von dem bekannten Nutzen profitieren würden. Mit den neuen Leitlinien für die Säuglingsernährung ist das Risiko einer HIV-Infektion jedoch vernachlässigbar gering, und die Risiken einer täglichen Antibiotikagabe dürften gegenüber dem geringfügigen mutmaßlichen Nutzen überwiegen, insbesondere wenn länger gestillt wird [51]. Eine vor kurzem veröffentlichte Studie aus Südafrika hat bestätigt, dass gestillte HIV-exponierte, nicht infizierte Säuglinge keinen gesundheitlichen Nutzen aus der Cotrimoxazol-Prophylaxe ziehen, und die WissenschaftlerInnen haben daher eine Einstellung dieser Politik gefordert [52].

Und nicht zuletzt beginnt die Prävention einer Übertragung von HIV beim Stillen natürlich mit der allgemeinen Primärprävention. Dies wurde bereits in den ersten beiden der insgesamt 4 Empfehlungen der Vereinten Nationen [53] zur Bekämpfung der HIV-Übertragung von der Mutter auf das Kind bekräftigt (d. h. Primärprävention der HIV-Infektion bei jungen Frauen und Verhinderung von ungeplanten Schwangerschaften bei HIV-infizierten Frauen).

Kernpunkte

  • Bei HIV-infizierten Frauen, die die empfohlene antiretrovirale Prophylaxe einhalten, ist das Risiko einer HIV-Übertragung über einen 12-monatigen Stillzeitraum vernachlässigbar gering.

  • In Ländern, in denen das Stillen gefördert und mit ARV-Therapien unterstützt wird, sollte HIV-infizierten Müttern dazu geraten werden, ihr ARV-Therapieschema einzuhalten, für eine Dauer von 6 Monaten ausschließlich zu stillen und ihr Kind dann bis zum 24. Lebensmonat oder darüber hinaus teilweise zu stillen und mit Beikost zu füttern.

  • Die Überarbeitung politischer Vorgaben und Leitlinien zum Thema HIV und Stillen muss auf globaler Ebene erfolgen, um die Säuglingsernährung in Regionen mit hohen HIV-Infektionsraten zu optimieren.

Prof. Anna Coutsoudis, PhD, BSc Hons, ist Professor of Paediatrics and Child Health an der University of KwaZulu-Natal. Sie hat umfassend dazu geforscht, wie die HIV-Übertragung von der Mutter auf das Kind verhindert werden kann, mit besonderem Schwerpunkt auf sicherem Stillen. Ihre Arbeiten haben einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung der WHO-Leitlinien zu HIV und Säuglingsernährung geleistet, und sie war Mitglied mehrerer WHO-Ausschüsse und Leitlinien-Arbeitsgruppen. Sie hat die erste außerklinische Milchbank in Südafrika eingerichtet, speziell um AIDS-Waisen mit Spenderinnenmilch zu versorgen.

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