Thomas W. Hale, Prof, PhD, RPh, and Teresa Ellen Baker, MD, FACOG
Zentrale Lerninhalte
Risiken des Wirkstoffübertritts in die Muttermilch
Überlegungen und Empfehlungen für ÄrztInnen, die stillenden Müttern Arzneimittel verordnen
Messung der Wirkstoffexposition bei Säuglingen
Anlaufstellen für weitere Unterstützung und Beratung
Muttermilch ist zweifellos die erste Wahl und das beste Mittel, Säuglinge vor infektiösen Erregern zu schützen, denn sie ist perfekt auf den Verdauungstrakt des Kindes abgestimmt. Sie enthält viele Wachstumsfaktoren, die eine Entwicklung und Reifung der noch recht durchlässigen Magen- und Darmwände des Säuglings fördern.
Der Arzneimittelgebrauch hat bei schwangeren und stillenden Frauen in den letzten Jahrzehnten enorm zugenommen; Schätzungen zufolge wenden zwischen 40 und 90% der Frauen im Verlauf ihrer Schwangerschaft mindestens 1 Arzneimittel an [1], [2]. Dieser vermehrte Arzneimitteleinsatz während der Schwangerschaft dürfte sich in der Phase nach der Geburt, wenn die Mutter stillt, wahrscheinlich noch verstärken.
Laut einer im Zeitraum 1998–2002 durchgeführten Bevölkerungsstudie ging die Prävalenz des Arzneimittelgebrauchs zwar von 72% vor auf 56% während der Schwangerschaft zurück, stieg im Zeitraum nach der Geburt aber wieder auf 78% an [3]. In mehreren Studien wurde festgestellt, dass 98–99% aller Frauen in der Wochenbettphase (vom Ausstoßen der Plazenta bis einige Wochen nach der Entbindung) Medikamente anwenden [4], [5].
Eine medikamentöse Behandlung während der Stillzeit bringt eine Komplexität mit sich, die für die meisten KlinikerInnen eher ungewohnt ist. Die Nutzen-Risiko-Bewertung muss hier nicht nur die Gesundheit der Mutter, sondern auch die des Säuglings berücksichtigen, bei dem ebenfalls ein Behandlungsnutzen oder aber unerwünschte Nebenwirkungen bis hin zu ausgeprägter Toxizität auftreten können.
Wir wissen heute, dass zahlreiche auf dem Markt erhältliche Arzneimittel erhebliche Risiken für den Fötus und den gestillten Säugling mit sich bringen, und wir bemühen uns, auf solche Arzneimittel generell zu verzichten. Jedoch treten praktisch alle Arzneimittel in die Muttermilch über und können daher potenziell unerwünschte Nebenwirkungen beim Säugling auslösen Das kommt auch heute noch vor, obwohl auf diesem Gebiet inzwischen ein profunderes Wissen vorliegt. Bei älteren Säuglingen fällt das Risiko in der Regel geringer aus, da diese im Allgemeinen gegenüber den meisten Arzneimitteln in der Muttermilch weniger empfindlich sind und ihr Stoffwechsel besser in der Lage ist, nahezu sämtliche Arzneimittel auszuscheiden.
Die menschliche Brust kann glücklicherweise bei vielen Wirkstoffen und Chemikalien eine Ansammlung von hohen Konzentrationen in ihren Kompartimenten relativ wirksam verhindern. Daher ist der Anteil der Arzneimittel, von denen eine echte Gefahr für den gestillten Säugling ausgeht, recht gering. Dieses Kapitel erläutert den Übertritt von Arzneimitteln in die Muttermilch und die damit verbundenen Risiken.
Die Empfindlichkeit von Säuglingen gegenüber verschiedenen Medikamenten hängt in hohem Maß von deren Alter ab. In den ersten 2–3 Tagen nach der Geburt, d. h. in der Phase der Kolostrumsbildung, ist die alveoläre Struktur der Brustdrüse recht offen und durchlässig, sodass praktisch alle Proteine, Lipide, Immunglobuline und Arzneimittel der Mutter in das Milchkompartiment übertreten können. In dieser Phase erreichen die meisten Arzneimittel in der Milch die gleiche Konzentration wie im Plasmakompartiment. Ab Tag 4 jedoch beginnen die Zellen des Alveolarepithels anzuschwellen, die Zellzwischenräume schließen sich und das alveoläre System wird insgesamt weniger durchlässig. Eine Woche nach der Geburt gelangen Arzneimittel dadurch nur noch in wesentlich geringeren Mengen in das Milchkompartiment. Unabhängig davon ist die Milchmenge, die die Mutter produziert und der Säugling trinkt, während des frühen Stadiums der hohen Durchlässigkeit so gering, dass beim Säugling meist nur eine verschwindend geringe absolute klinische Wirkstoffdosis ankommt.
Frühgeborene sind jedoch besonders empfindlich gegenüber jeglichen Arzneimitteln, weshalb das Risiko bei ihnen erheblich erhöht ist. Solange der Säugling noch auf der Neugeborenen-Intensivstation behandelt wird, ist dieses Risiko zu einem gewissen Grad akzeptabel, da er vom Pflegefachpersonal engmaschig kontrolliert wird. Bei der Entlassung des Säuglings müssen die Eltern jedoch darauf hingewiesen und darin geschult werden, selbst auf mögliche Nebenwirkungen wie Apnoe und Atemdepression zu achten.
Ab einem Säuglingsalter von 6 Monaten geht von den meisten Arzneimitteln eine geringere Gefahr aus, da die Nierenfunktion und Atmungssteuerung des Kindes zu diesem Zeitpunkt recht gut ausgebildet sind, sodass es Wirkstoffe über den Stoffwechsel eliminieren kann. Ab diesem Säuglingsalter geht auch die Milchbildung bei der Mutter langsam zurück, und mit der geringeren Milchmenge geht auch eine geringere Wirkstoffmenge auf das Kind über. Ab einem Alter von 18 Monaten ist dann die Milchmenge vernachlässigbar gering, und das Risiko durch übertretende Arzneimittel in den meisten Fällen ebenso.
PatientInnen im Kindesalter werden oft als „therapeutische Waisen“ bezeichnet, weil praktisch keine pharmakokinetischen Studien an Säuglingen und Kleinkindern durchgeführt werden. Für weniger als 1% aller Arzneimittel liegen Dosierungsempfehlungen für Frühgeborene vor. Bei Säuglingen ist es daher auch extrem schwierig, die mit der Muttermilch aufgenommene Dosis mit einer normalen klinischen Dosis zu vergleichen, weil es eben meist keine Dosierungsschemata für diese Altersgruppe gibt.
Oral aufgenommene Wirkstoffe, die in der Milch präsent sind, müssen über den Magen-Darm-Trakt absorbiert werden. Es gibt aber kaum Daten zur Resorption von Arzneimitteln bei Säuglingen. In der 1. Woche nach der Geburt liegt im Magen des Neugeborenen ein Zustand relativer Achlorhydrie vor. Im Lauf der ersten Lebenswochen entwickelt sich im Magen ein pH-Wert von 4,0. Danach sinkt der Wert über die nächsten 2 Jahre allmählich auf dasselbe Niveau wie bei Erwachsenen. Schwache Säuren (z. B. Phenobarbital) werden möglicherweise in geringerem Umfang resorbiert, schwach basische Substanzen dagegen stärker. Da die Wirkstoffexposition beim Säugling auf oralem Weg erfolgt, ist die orale Bioverfügbarkeit des Arzneimittels von entscheidender Bedeutung. Genau wie bei Erwachsenen werden Wirkstoffe mit hohem First-Pass-Effekt (z. B. Morphin) von der Leber rasch aus dem Pfortadersystem eliminiert. Wirkstoffe mit geringer intestinaler Stabilität (z. B. Aminoglykoside, Insulin, Heparin) werden im Magen-Darm-Trakt schnell abgebaut. Da die Gallenfunktion bei Frühgeborenen schwach ist, werden Fette schlecht resorbiert, und es kommt zu einer relativen Steatorrhö, sodass fettlösliche Wirkstoffe in der Milch tendenziell eine geringere Bioverfügbarkeit aufweisen.
Im Vergleich zu Erwachsenen ist die Magenentleerung bei Frühgeborenen erheblich verlangsamt, was in manchen Fällen die Resorptionskinetik grundlegend verändern kann. Ebenso ist bei Neugeborenen der Gesamtkörperwassergehalt höher, die Proteinbindung geringer und die Stoffwechselkapazität der Leber (Oxidation und Konjugation) erheblich schwächer als bei Erwachsenen [6]. Die zunächst geringe Stoffwechselkapazität der Leber nimmt jedoch beim Säugling nach der Geburt rasch zu und übersteigt in den folgenden Monaten sogar die von Erwachsenen [7]. Die Beurteilung der Sicherheit von Arzneimitteln in der Muttermilch beruht letztlich auf 3 Hauptfaktoren:
Menge des Wirkstoffs in der Milch
orale Bioverfügbarkeit des Wirkstoffs
Fähigkeit des Säuglings, das Arzneimittel wieder aus dem Körper zu entfernen (Clearance) und so die Entstehung hoher Wirkstoffkonzentrationen zu verhindern
Während für einige Arzneimittel Daten zur Wirkstoffkonzentration in der Milch vorliegen, ist die Fähigkeit der renalen und hepatischen Clearance bei Säuglingen hochgradig variabel und sollte klinisch evaluiert werden. So wurde die Clearance-Kapazität von Säuglingen in den Lebenswochen 24–28, 28–34, 34–40, 40–44, 44–68 und > 68 auf 5%, 10%, 33%, 50%, 66% bzw. 100% der Clearance-Kapazität der Mutter geschätzt [8].
Das Plasmakompartiment der Mutter ist die einzige Quelle, aus der Arzneimittel in die Muttermilch gelangen können. Der Übergang von Arzneimitteln in die Muttermilch wird daher von den alveolären Epithelzellen (Laktozyten oder Milch produzierende Zellen) in den Alveolen der Brust sorgfältig kontrolliert. Jeglicher Wirkstoff muss aus dem mütterlichen Plasmakompartiment austreten, die Basalmembran der Alveolen passieren und entweder durch die Laktozyten oder deren Zwischenräume in die Milch gelangen. Sobald ein Wirkstoff in die Milch gelangt ist, entscheiden seine chemisch-physikalischen Eigenschaften darüber, ob er dort verbleibt oder wieder ins Plasma der Mutter transferiert und ausgeschieden wird.
So erreichen die meisten Wirkstoffe ein Gleichgewicht zwischen dem mütterlichen Plasma- und dem Milchkompartiment, und die Arzneimittelkonzentration im Plasma bestimmt den Ein- und Austritt in das bzw. aus dem alveolären Kompartiment. Wenn die Konzentration im Körper der Mutter den Höchststand erreicht, steigt das Konzentrationsgefälle entsprechend, und in der Regel wird eine höhere Wirkstoffmenge in das Milchkompartiment gedrängt. Außerdem wird das Gleichgewichtsverhältnis durch die Fettlöslichkeit, das Molekulargewicht, die Proteinbindung und den pKS-Wert des Wirkstoffs bestimmt. Das Verhältnis der Wirkstoffkonzentration in der Muttermilch zu der im Plasma wird als Milch-Plasma-Quotient (M/P-Quotient) bezeichnet. Mit diesem Quotienten wird also lediglich die Wirkstoffkonzentration in den beiden Kompartimenten im Verhältnis zueinander beschrieben. Er sagt nichts über die absolute Wirkstoffdosis aus, die das Kind letztlich aufnimmt. Häufig wird der Begriff missverstanden und im letzteren Sinne verwendet. Bei Arzneimitteln mit einem hohen M/P-Quotienten, aber niedriger mütterlicher Plasmakonzentration (wie z. B. Ranitidin oder Bupropion), kommt tatsächlich nur eine geringe Wirkstoffdosis beim Säugling an.
Der Übertritt von Arzneimitteln in die Muttermilch ist ein dynamischer Prozess, bei dem die Wirkstoffe in das Milchkompartiment eintreten und es wieder verlassen, hauptsächlich in Abhängigkeit vom Wirkstoffspiegel im mütterlichen Plasma (Abb. 20.1). Die meisten Wirkstoffe sind nicht unwiderruflich in das Milchkompartiment „eingeschlossen“, sondern strömen in einem dynamischen Gleichgewicht zwischen Milch und mütterlichem Plasma hin und her. Es ist daher in der Regel nicht notwendig, dass die Mutter ihre Milch abpumpt und verwirft. Eine Arzneimittelexposition des Kindes lässt sich genauso wirksam vermeiden, indem die Mutter ein paar Stunden abwartet, bis ihr Wirkstoffspiegel im Plasma gesunken ist. Bei Arzneimitteln mit kurzer Halbwertszeit reicht es oft aus, wenn die Mutter jeweils vor der Einnahme stillt; bei Arzneimitteln mit einer langen Halbwertszeit funktioniert dies jedoch nicht.
Als Bioverfügbarkeit bezeichnet man den Grad, zu dem ein Arzneimittel nach der Einnahme bzw. Verabreichung in den Körperkreislauf gelangt. Je nach Verabreichungsweg (oral, intravenös, intramuskulär, subkutan oder topisch) müssen Wirkstoffe letztendlich in den systemischen Kreislauf aufgenommen werden, bevor sie an den gewünschten Wirkort gelangen oder in das Milchkompartiment übertreten können. Die geringe Bioverfügbarkeit vieler Arzneimittel führt dazu, dass auch die Wirkstoffexposition des gestillten Säuglings gering ist. Zudem sind einige Wirkstoffe im Milieu des Magens instabil oder werden vom Säugling unvollständig resorbiert. Bis auf wenige Ausnahmen werden die meisten topischen Medikamente nur in geringem Maße transkutan absorbiert. Einen signifikanten Plasmaspiegel erreichen sie dementsprechend selten. Aufgrund der Sequestration bzw. Metabolisierung in der Leber gelangen viele oral eingenommene Arzneimittel nicht ins Plasmakompartiment. Da Säuglinge Arzneimittel über die Muttermilch aufnehmen, stellt die Bioverfügbarkeit nach oraler Gabe einen entscheidenden Faktor dar, um das potenzielle Risiko für Säuglinge zu beurteilen. Die orale Bioverfügbarkeit ist ausschlaggebend dafür, welche absolute Arzneimitteldosis beim Säugling ankommt. Daher sollten stillende Mütter vorzugsweise Arzneimittel mit geringer oraler Bioverfügbarkeit erhalten, da diese vom Kind wahrscheinlich nur in geringem Maße absorbiert werden.
Eine der einfachsten Methoden zur Beurteilung der Sicherheit eines Arzneimittels besteht darin, die auf das Körpergewicht umgerechnete Dosis, die das Kind mit der Muttermilch aufnimmt, mit der Dosis abzugleichen, die in der Behandlung von Säuglingen als orale Dosis eingesetzt wird (wenn spezifische Daten vorliegen). Die aussagekräftigste und am meisten genaue Messung der Exposition ist die Berechnung der relativen Säuglingsdosis (Relative Infant Dose, RID) wie im Folgenden beschrieben.
Die RID wird üblicherweise in Prozent der mütterlichen Dosis angegeben. Dabei handelt es sich um eine standardisierte Methode zur Berechnung der vom Säugling aufgenommenen Dosis relativ zur mütterlichen Dosis. Bei termingerecht geborenen Säuglingen empfiehlt Bennett [9], für die meisten Arzneimittel eine RID von > 10% als theoretisch „bedenkliche Grenze“ zu betrachten. Bei Frühgeborenen könnte diese „bedenkliche Grenze“ je nach Arzneimittel jedoch auch niedriger sein. Hierbei sollte bedacht werden, dass Neugeborene gegebenenfalls schon in utero den Arzneimitteln ihrer Mütter ausgesetzt waren und dass diese Exposition in utero erheblich größer sein kann als die Exposition über die Muttermilch.
Und nicht zuletzt treten alle Arzneimittel in das Milchkompartiment über, die allermeisten jedoch in einem so geringen Ausmaß, dass die absolut enthaltene Menge klinisch irrelevant ist. Die Anwendung von Arzneimitteln in der Stillzeit bedeutet zwangsläufig, dass ausnahmslos ein Teil des Wirkstoffs auf das Kind übergeht. Die korrekte Einschätzung des Risikos für den Säugling setzt voraus, dass die Pharmakokinetik des Wirkstoffübergangs in die Muttermilch verstanden wird. Es folgt ein Überblick über den aktuellen Stand des Wissens zum Übergang von Wirkstoffen in die Muttermilch und die klinischen Implikationen für Neu- und Frühgeborene. Zu wissen, in welchen Situationen das Stillen zu unterbrechen ist bzw. weitergestillt werden kann, ist für die Mutter-Kind-Dyade von großer Bedeutung.
Analgetika (Schmerzmittel) sind die von stillenden Müttern am häufigsten angewendeten Arzneimittel, insbesondere in der ersten Zeit nach der Entbindung. Diese Mittel, meist nichtsteroidale Analgetika und Opiate, werden Jahr für Jahr von Millionen von Müttern während der Stillzeit eingenommen. Tab. 20.1 bietet einen Überblick über Analgetika in Muttermilch.
Wirkstoff | Relative Säuglingsdosis (%) | Risikokategorie während der Stillzeit* | Literatur |
---|---|---|---|
Acetaminophen (Paracetamol) | 8,8–24,2 | Verträglich | [65], [66], [67], [68] |
Acetylsalicylsäure (Aspirin) | < 2,5–10,8 | In niedrigen Dosen verträglich, längerfristige Anwendung könnte problematisch sein, daher sind andere Analgetika zu bevorzugen | [69], [70], [71] |
Celecoxib | 0,3–0,7 | Verträglich, Säugling auf Diarrhö beobachten | [11], [12] |
Ibuprofen | 0,1–0,7 | Verträglich | [72], [73], [74] |
Ketorolac | 0,2 | Verträglich | [10] |
Naproxen | 3,3 | Verträglich, langfristige Anwendung vermeiden. Säugling auf Diarrhö beobachten | [75], [76] |
Indomethacin | 1,2 | Wahrscheinlich verträglich, langfristige Anwendung vermeiden, Säugling auf Diarrhö beobachten | [77], [78] |
Morphin | 9–35 | Wahrscheinlich verträglich, auf Sedierung, Obstipation und Apnoe beobachten | [13], [79], [80] |
Hydromorphon | 0,67 | Wahrscheinlich verträglich, auf Sedierung, Obstipation und Apnoe beobachten | [81] |
Hydrocodon | 2,21–3,7 | Wahrscheinlich verträglich, auf Sedierung, Obstipation und Apnoe beobachten | [82], [83] |
Oxycodon | 1,0–8 | Wahrscheinlich verträglich, auf Sedierung, Obstipation und Apnoe beobachten | [17], [84], [85] |
Codein | 0,6–8,1 | Potenziell gefährlich, auf Sedierung, Obstipation und Apnoe beobachten | [71], [16], [86] |
Fentanyl | 2,9–5 | Wahrscheinlich verträglich | [87], [88], [89] |
*Risikokategorien während der Stillzeit entnommen aus Hale, Medication and Mothers’ Milk, 2016
Es gibt etliche verschiedene NSARs, und viele wurden bereits bei stillenden Frauen untersucht. Der wohl gängigste und beliebteste Wirkstoff aus dieser Klasse ist Ibuprofen. Ibuprofen ist ein ideales Schmerzmittel für stillende Mütter, da es nur in sehr geringen Mengen in die Muttermilch übergeht. Weniger als 0,7% der von der Mutter eingenommenen Tagesdosis gehen auf den Säugling über [10]. Die Anwendung von Ketorolac (Toradol) ist umstritten. Zunächst stand der Wirkstoff in der Kritik, weil er mit einer Störung der Blutplättchenfunktion in Verbindung gebracht wurde. In jüngerer Zeit wurden außerdem Bedenken laut, Ketorolac könne das Risiko einer akuten Nierenschädigung bei der Mutter erhöhen, insbesondere in der frühen postpartalen Phase sowie während einer Volumenrestriktion. Obwohl Ketorolac bei einigen Frauen nach der Entbindung Blutungen verursachen kann, weil es die Aggregation der Blutplättchen hemmt, ist die Wirkstoffkonzentration in der Muttermilch unbedeutend. In einer Studie, in der stillende Mütter 4-mal täglich 10 mg Ketorolac oral einnahmen, war in 4 von 10 Fällen kein Wirkstoff in der Milch nachweisbar [10]. Bei den anderen 6 Teilnehmerinnen lag die Ketorolac-Konzentration in der Milch 2 Stunden nach Einnahme in einem Bereich von 5,2–7,3 µg/l an Tag 1 bis 5,9–7,9 µg/l an Tag 2. In dieser Studie wurde Ketorolac oral und nicht durch intramuskuläre Injektion verabreicht, was einen Teil des First Pass-Effekts vermeiden würde, aber dennoch kann Ketorolac als mäßig sicheres Analgetikum für stillende Mütter betrachtet werden.
Ältere Studien zu Celecoxib (Celebrex) deuten darauf hin, dass die Anwendung in der Stillzeit sicher ist. In einer Studie, in der die Teilnehmerinnen eine Dosis von 200 mg pro Tag erhielten, betrug der Celecoxib-Spiegel in der Milch durchschnittlich 66 µg/l [11]. Die täglich vom Säugling aufgenommene Wirkstoffmenge wurde mit etwa 20 µg/kg/Tag beziffert [12]. Aus diesen Daten ergibt sich eine RID von 0,34% der mütterlichen Dosis. Der Celecoxib-Plasmaspiegel blieb bei 2 Säuglingen unter der Nachweisgrenze (< 10 ng/ml).
Opiate unterschiedlicher Stärke werden zur Schmerzbehandlung eingesetzt, z. B. Hydrocodon, Oxycodon, Oxymorphon, Fentanyl, Sufentanil und Morphin. Opioide werden häufig zur Linderung akuter Schmerzen nach einem Kaiserschnitt oder sonstigen Eingriffen bei stillenden Müttern angewendet. Morphin ist in der Regel das Opioid der Wahl während der Stillzeit, da seine orale Bioverfügbarkeit beim Säugling gering (26%) und die RID mit 9,1% entsprechend niedrig ist [13]. Aber auch Hydrocodon und Oxycodon werden weltweit immer häufiger verwendet. Hydrocodon geht nur minimal in die Muttermilch über. In einer neueren Studie wurden die Hydrocodon- und Hydromorphon-Konzentrationen in 125 Muttermilchproben untersucht, die von 30 Frauen stammten, die zur Linderung postpartaler Schmerzen Hydrocodon 0,14–0,21 mg/kg/Tag (10–15 mg/Tag) erhielten [14]. Die Neugeborenen nahmen 1,6% der gewichtsangepassten mütterlichen Hydrocodondosis auf; in Kombination mit Hydromorphon betrug die mediane Opiat-Gesamtdosis aus der Muttermilch 0,7% der therapeutischen Dosis für ältere Säuglinge. Die postpartale Standarddosis von Hydrocodon wurde für Frauen, die Neugeborene stillen, als akzeptabel eingestuft. Es liegen allerdings auch Berichte über unerwünschte Ereignisse bei Säuglingen vor, die über die Muttermilch Hydrocodon aufgenommen haben. Sämtliche Opioide sollten bei Neugeborenen vorsichtig angewendet werden [15].
Die Anwendung von Codein ist rückläufig, seitdem im Jahr 2005 ein Säugling verstorben ist, dessen Mutter während der Stillzeit Codein eingenommen hatte [16]. Bei den Opioiden Codein und Oxycodon handelt es sich um weniger günstige Optionen, da ihre Metabolisierung (über das Enzym CYP2D6) unvorhersehbar ist, dabei aktive Stoffwechselprodukte entstehen und sie bei Säuglingen eine ZNS-Depression hervorrufen können [17]. In einer Kohorte von Müttern, die während der Stillzeit Oxycodon, Codein oder Paracetamol zur Schmerzlinderung angewendet haben, wurde in 20,1%, 16,7% bzw. 0,5% der Fälle eine Sedierung der Säuglinge beobachtet [17].
Opioide sollten bei stillenden Müttern vorsichtig angewendet werden, insbesondere bei Müttern von frühgeborenen oder instabilen Säuglingen, wobei die Säuglinge engmaschig auf Sedierung und Apnoe zu beobachten sind. Die Dosis sollte moderat bis niedrig und der Anwendungszeitraum möglichst kurz sein.
So gut wie alle Antibiotika wurden auch bei stillenden Müttern mehr oder weniger umfassend untersucht (Tab. 20.2). Die gebräuchlichsten Untergruppen sind Penicilline und Cephalosporine. Aufgrund ihrer hohen Polarität bleiben die Wirkstoffe dieser Gruppe weitestgehend aus dem Milchkompartiment ausgeschlossen und die RID-Werte sind entsprechend niedrig. Wirkstoffe aus der Untergruppe der Makrolide (z. B. Erythromycin, Azithromycin oder Clarithromycin) gehen in geringen Mengen in die Muttermilch über. Nach einer Dosis von 2 g Erythromycin täglich wurden in der Milch Wirkstoffkonzentrationen von 1,6–3,2 mg/l gemessen [18]. Azithromycin geht in minimalem Umfang in die Milch über; die resultierende klinische Dosis für den Säugling beträgt etwa 0,4 mg/kg/Tag [19].
Wirkstoff | Relative Säuglingsdosis (%) | Risikokategorie während der Stillzeit* | Literatur |
---|---|---|---|
Amoxicillin | 1 | Verträglich, Säugling auf Diarrhö und Soor beobachten | [90] |
Cephalexin | 0,4–1,47 | Verträglich, Säugling auf Diarrhö und Soor beobachten | [91] |
Cefotaxim | 0,4–0,3 | Verträglich, Säugling auf Diarrhö und Soor beobachten | [91] |
Dicloxacillin | 0,4–1,4 | Verträglich, Säugling auf Diarrhö und Candida-Windelausschlag beobachten | [90] |
Azithromycin | 5,9 | Verträglich, Säugling auf Diarrhö und Soor beobachten | [19] |
Clarithromycin | 2 | Verträglich, Säugling auf Diarrhö und Windelausschlag beobachten | [92] |
Erythromycin | 1,4–1,7 | Verträglich, postnatale Anwendung mit infantiler hypertropher Pylorusstenose assoziiert, auf Diarrhö und Soor beobachten | [90], [20], [93] |
Ciprofloxacin | 0,4–6,34 | Verträglich, in einem Fall wurde über pseudomembranöse Kolitis berichtet, auf Diarrhö und Candida-Überwucherung beobachten | [94], [95], [96] |
Doxycyclin | 4–13,3 | Bei kurzer Anwendungsdauer | [97], [98] |
Tetracyclin | 0,6 | Bei kurzer Anwendungsdauer verträglich, geringe Resorption nach oraler Einnahme, Säugling auf Diarrhö und Candida-Überwucherung beobachten | [90], [99], [100] |
Clindamycin | 0,9–1,8 | Verträglich, in einem Fall wurde über pseudomembranöse Kolitis berichtet, Säugling auf Diarrhö und Candida-Überwucherung beobachten | [101], [90], [102], [103] |
Metronidazol | 12,6–13,5 | Verträglich, moderater Transfer, keine unerwünschten Wirkungen bei exponierten Säuglingen beobachtet, Dosis aus der Milch niedriger als therapeutische Dosis, kann der Milch einen bitteren Geschmack verleihen, nach oraler Einzeldosis von 2 g Milch für 12–24 h verwerfen | [104], [105] |
*Risikokategorien während der Stillzeit entnommen aus Hale, Medication and Mothers’ Milk, 2016
Die vorliegenden Daten deuten auf einen Zusammenhang zwischen Pylorusstenose bei Neugeborenen und postnataler Einnahme des Makrolids Azithromycin durch die Mutter hin [20]. Die Gruppe der Makrolide ist wahrscheinlich mit dem Stillen vereinbar, vor allem ab der 6. Woche nach der Geburt. Bei der Anwendung von Erythromycin kurz nach der Geburt wird zu einer gewissen Vorsicht geraten.
Der häufig zur Behandlung von Candida-Infektionen eingesetzte Wirkstoff Nystatin wird nach oraler Einnahme kaum resorbiert und geht daher nicht in die Muttermilch über. Fluconazol hingegen tritt in hohem Maß in die Muttermilch über; die relative Säuglingsdosis beträgt 16,4–21,5% [21], was jedoch noch im subklinischen Bereich für Säuglinge liegt. Obwohl die RID also höher ist als die nominale Sicherheitsgrenze von 10%, hat sich Fluconazol in den meisten Fällen als relativ sicher erwiesen. Die mit der Muttermilch aufgenommene Dosis liegt weit unter der klinischen Dosis, die Säuglingen direkt verabreicht wird.
Sulfamethoxazol wird häufig in Kombination mit Trimethoprim bei verschiedenen Infektionen angewendet, insbesondere Harnwegsinfektionen und Infektionen durch resistente Staphylokokken. Die RID von Sulfamethoxazol beträgt 2,3–6% [22], [23], die von Trimethoprim 9% [22]. Die resultierenden absoluten Dosen sind geringer als die klinischen Dosen, mit denen Säuglinge typischerweise behandelt werden. Bei Säuglingen mit Hyperbilirubinämie oder Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel sollten Sulfonamide jedoch nicht angewendet werden.
Fast alle gebräuchlichen Antidepressiva wurden bei stillenden Müttern untersucht. Viele dieser Studien deuten darauf hin, dass die Wirkstoffe nur in geringer Menge in die Muttermilch übergehen und ihre Anwendung in der Stillzeit wahrscheinlich akzeptabel ist (Tab. 20.3).
Wirkstoff | Relative Säuglingsdosis (%) | Risikokategorie in der Stillzeit* | Literatur |
---|---|---|---|
Bupropion | 0,11–2,0 | Verträglich | [106], [107], [108], [109], [110] |
Citalopram | 3,5–5,4 | Verträglich, auf Somnolenz überwachen | [111], [112], [27], [113], [114], [115], [116] |
Escitalopram | 5,2–7,9 | Verträglich | [117], [118], [28] |
Fluoxetin | 1,6–14,6 | Verträglich | [119], [120], [121], [122], [26], [123], [124], [125] |
Fluvoxamin | 0,3–1,4 | Verträglich | [126], [127], [128], [129], [130], [131] |
Paroxetin | 1,2–2,8 | Verträglich | [132], [133], [134], [135], [136], [137], [138] |
Sertralin | 0,4–2,2 | Verträglich | [139], [140], [141], [142], [143], [144] |
Trazodon | 2,8 | Verträglich | [145] |
Venlafaxin | 6,8–8,1 | Verträglich | [146], [147] |
*Risikokategorien während der Stillzeit entnommen aus Hale, Medication and Mothers’ Milk, 2016
Diese Wirkstoffe sind zwar von großem Nutzen, stoßen aber bei den Patienten auf eine geringe Akzeptanz, weil sie auch anticholinerge Symptome wie Mundtrockenheit, verschwommenes Sehen und Sedierung hervorrufen. Darum werden TCAs seltener eingesetzt als andere Antidepressiva. Die RID von Amitriptylin beträgt weniger als 1,5% der mütterlichen Dosis [24]. Bisher konnte in keiner Studie Amitriptylin im Plasma von Säuglingen nachgewiesen werden. Doxepin ist zu vermeiden, da über Fälle von Hypotonie, Saugschwäche, Erbrechen und Ikterus berichtet wurde [25].
SSRIs zählen derzeit zu den meistverwendeten Arzneimitteln in der Stillzeit, und zu keiner Wirkstoffklasse wurden im letzten Jahrzehnt mehr Studien bei stillenden Müttern durchgeführt.
Die vielen klinischen Studien, die zur Anwendung von Sertralin, Fluoxetin und Paroxetin in der Stillzeit vorliegen, sprechen deutlich dafür, dass die Wirkstoffe nur in geringem Maß in die Muttermilch übergehen und in noch geringerem Maße vom Säugling resorbiert werden. Zu den Nebenwirkungen bei Säuglingen zählen Entzugserscheinungen nach Exposition im Mutterleib. Nach Anwendung dieser Wirkstoffe durch stillende Mütter wurde jedoch nur selten über Probleme berichtet.
Sertralin scheint der bevorzugte SSRI zu sein. In allen Studien zusammengenommen wurden mehr als 50 Säuglinge untersucht, und die Sertralin-Konzentrationen in der Muttermilch und im Plasma der Säuglinge haben sich als niedrig bis nicht nachweisbar erwiesen.
Auch Fluoxetin wurde bei mindestens 50 gestillten Säuglingen untersucht. Fluoxetin geht in vergleichsweise höherer Konzentration in die Muttermilch über; Berichten zufolge werden bis zu 9% der mütterlichen Dosis erreicht [26]. Bei Säuglingen wurden klinisch relevante Plasmakonzentrationen gemessen, was auf die lange Halbwertszeit des aktiven Metaboliten von Fluoxetin zurückzuführen ist. Daher ist Fluoxetin angesichts seiner im Vergleich zu Sertralin hohen RID in der Schwangerschaft und frühen postpartalen Phase weniger empfehlenswert, es sei denn in niedriger Dosierung. In der Praxis ist Fluoxetin mit einer niedrigen Inzidenz von unerwünschten Wirkungen assoziiert. Mütter, die andere SSRIs nicht vertragen, sollten ihre Behandlung auch während der Stillzeit fortsetzen.
Citalopram und sein neuer Kongener Escitalopram gelangen in moderatem Maße in die Muttermilch. In einer Studie, in der 7 Frauen eine mittlere Citalopram-Dosis von 0,41 mg/kg/Tag erhalten haben, betrug die mittlere RID 3,7% [27]. Im Plasma der Säuglinge wurden niedrige Citalopram-Konzentrationen gemessen (2 und 2,3 µg/l). Während in den veröffentlichten Studien keine unerwünschten Wirkungen zu verzeichnen waren, wurden dem Hersteller 2 Fälle von Somnolenz gemeldet. In einer weiteren Studie, in der 8 stillende Mütter Escitalopram in einer durchschnittlichen Dosis von 10 mg/Tag eingenommen haben, betrug die Gesamt-RID von Escitalopram und seinem Metaboliten 5,3% [28]. Derzeit ist Escitalopram wohl die im Vergleich zu Citalopram bevorzugte Option für stillende Mütter.
Bei Säuglingen, die in utero einem SSRI mit kurzer Halbwertszeit ausgesetzt waren (Paroxetin, Sertralin), wurden häufig neonatale Entzugssymptome beobachtet (30%). Bei Fluoxetin [29], [30], Sertralin und Paroxetin [31] bestehen diese kurz nach der Geburt auftretenden Symptome in Störungen der Adaptation, Reizbarkeit, Nervosität und mangelhafter Blickkontrolle. Die meisten KlinikerInnen leiten bei neonatalen Entzugssymptomen keine Behandlung ein, außer in schweren Fällen. Müttern, die SSRIs einnehmen, kann gewiss zum Stillen geraten werden. Die Konzentration des Antidepressivums in der Muttermilch ist in der Regel jedoch zu niedrig, um die Entzugssymptome wirksam zu lindern.
Die Anwendung von Immunsuppressiva und Immunmodulatoren während der Stillzeit ist wenig erforscht. Doch die Tatsache, dass nur wenige Studien zu diesen Wirkstoffen und ihrem Übertritt in die Muttermilch durchgeführt wurden, spricht nicht gegen eine Anwendung bei stillenden Müttern. Insbesondere die neueren monoklonalen Antikörper sind hier von zunehmender Bedeutung.
Methotrexat ist ein wirkungsstarker und potenziell gefährlicher Folsäureantagonist, der bei immunologischen Erkrankungen insbesondere aus dem rheumatischen Formenkreis angewendet wird. Der Wirkstoff wird auch als Abortivum bei Eileiterschwangerschaften eingesetzt. Methotrexat geht in geringen Mengen in die Muttermilch über. 2 Stunden, nachdem eine Patientin 22,5 mg Methotrexat eingenommen hatte, wurde in der Muttermilch eine Wirkstoffkonzentration von 2,6 µg/l Milch gemessen [32]. Die kumulative Menge des in den ersten 12 Stunden in die Milch übergetretenen Methotrexats betrug lediglich 0,32 µg. Hieraus wurde abgeleitet, dass eine Methotrexat-Behandlung der Mutter keine Kontraindikation für das Stillen darstellt. Jedoch kann Methotrexat über lange Zeit (mehrere Monate) im menschlichen Gewebe gespeichert bleiben, insbesondere in den Zellen der Eierstöcke und des Verdauungstrakts von Neugeborenen. Deshalb wird trotz der geringen Konzentration von Methotrexat in der Muttermilch empfohlen, bis zum Ablauf von mindestens 4 Tagen nach Behandlungsende die Muttermilch abzupumpen und zu verwerfen. Wie lange die Milch verworfen wird, sollte sich angesichts der Toxizität dieses Wirkstoffs nach der Dosishöhe und Dauer der Behandlung richten.
Die gepulste Gabe von Methylprednisolon gehört zu den tragenden Säulen der Behandlung von Multipler Sklerose (MS). Kortikosteroide gehen erfreulicherweise kaum in Muttermilch über. In Studien mit radioaktiv markiertem Prednisolon wurde festgestellt, dass nach 48 Stunden insgesamt nur 0,14% der mütterlichen Dosis in der Milch nachweisbar waren [32]. Allerdings werden bei Multipler Sklerose mitunter sehr hohe intravenöse Dosen (z. B. 1–2 g) angewendet. Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass die Konzentration in der Milch rasch abnimmt und dass Mütter schon 8–12 Stunden nach einer hohen intravenösen Dosis Methylprednisolon wieder gefahrlos stillen können [34].
Bei der Behandlung von Autoimmun- und Krebserkrankungen werden zunehmend gentechnisch veränderte Immunglobuline eingesetzt. Diese Wirkstoffe richten sich gezielt gegen bestimmte Proteine (z. B. Tumornekrosefaktor); mit anderen Strukturen reagieren sie nicht. Da die Wirkstoffmoleküle mit > 100 Kilodalton sehr groß sind, weisen sie eine geringe RID auf (Größenordnung von 1–2%) [35], [36], [37]. Die orale Bioverfügbarkeit von monoklonalen Antikörpern dürfte theoretisch gering sein, da sie im Magen des Säuglings durch Proteasen zersetzt werden. Mehrere ForscherInnen haben jedoch die Hypothese aufgestellt, dass monoklonale Antikörper über den Immunglobulin-G-transportierenden neonatalen Fc-Rezeptor (FcRn) resorbiert werden könnten, der bei Erwachsenen und Föten von den Darmzellen exprimiert wird [37]. Die Forschung auf diesem Gebiet ist noch im Gang, doch der aktuelle Stand des Wissens spricht dafür, dass sich diese Wirkstoffe wahrscheinlich mit dem Stillen vertragen.
Wirkstoffe, die in das zentrale Nervensystem (ZNS) gelangen, durchdringen leicht die Blut-Hirn-Schranke. Dabei handelt es sich um eine ähnliche Barriere wie die Laktozyten zwischen Blutkreislauf und Muttermilch. Entsprechend sind die meisten ZNS-aktiven Substanzen auch in erhöhtem Maß in der Muttermilch zu finden. Müttern wird nachdrücklich empfohlen, während der Stillzeit auf derartige Substanzen zu verzichten, da diese immer mit einem gewissen Risiko für den Säugling einhergehen. Die relevantere Frage ist jedoch, ob eine Frau, die solche Substanzen konsumiert, überhaupt stillen sollte; und diese Frage muss für jeden Einzelfall individuell beantwortet werden. Einige Substanzen, die als Droge verwendet werden, sind zugleich auch Arzneimittel mit klinischem Nutzen. Beispielsweise sind manche Amphetamin-Präparate, mit denen Hyperaktivitätsstörungen behandelt werden, strukturell verwandt mit Methamphetamin und anderen als Drogen gebrauchten Amphetaminen. Wenn es sich um Substanzen handelt, die für die klinische Anwendung zugelassen sind, kann mit einer gewissen Vorsicht gleichzeitig gestillt werden.
Alkohol geht sehr leicht in das Milchkompartiment über; mit einem Milch-Plasma-Quotient von 1,0 ist der Alkoholspiegel in der Milch genauso hoch wie im Plasmakompartiment. Doch obwohl der Spiegel in der Milch genauso hoch ist wie im Plasma, ist die vom Säugling aufgenommene absolute klinische Dosis recht gering. So wurde in einer Studie, in der 12 stillende Mütter 0,3 g/kg Ethanol zu sich genommen haben, eine mittlere Ethanol-Spitzenkonzentration von 320 mg/l in der Milch gemessen [38]. Sehr wichtig ist außerdem, dass Ethanol nachweislich die Oxytocin-Ausschüttung stark hemmt und die Milchabgabe an das Kind verringert [39]. Bei einer Frau von durchschnittlicher Statur sinkt der Alkoholspiegel in der Milch um 15–20 mg/dl/Stunde; dies entspricht einem Abbau eines „alkoholischen Standardgetränks“ (14 g reines Ethanol) in rund 2 Stunden [40].
Neben Teer und anderen Verbrennungsprodukten führt das Tabakrauchen auch zu einem hohen Spiegel von Nikotin und seinem Stoffwechselprodukt Cotinin im mütterlichen Plasma. Das pharmakologisch wirksame Cotinin hat eine längere Halbwertszeit und eine deutlich schwächere Wirkung als Nikotin [41]. Der Cotininspiegel ist zwar hilfreich, um den Nikotin-Metabolismus zu verfolgen, ist jedoch nicht unbedingt aussagekräftig, wenn es um die passive Aufnahme von Tabakrückständen, die relative Sicherheit von Nikotinersatzprodukten oder die Belastung durch die vielen anderen gesundheitsgefährdenden chemischen Inhaltsstoffe des Tabaks geht.
In Studien hat sich ein linearer Zusammenhang zwischen der Rauchfrequenz der Mutter, dem Nikotingehalt der Muttermilch und dem Cotininspiegel im Urin des Säuglings gezeigt [42], [43]. Der Cotininspiegel im Urin von gestillten Säuglingen rauchender Mütter kann bis zu 5-mal höher sein als der von nicht gestillten Säuglingen rauchender Mütter [44]. Selbst Passivrauchen kann das Risiko von Babys erhöhen, an Mittelohrentzündung, Atemwegsinfektionen und Asthma zu erkranken [45]. Der Nutzen des Stillens gleicht diese Risiken zum Teil wieder aus, und so wird aktuell auch rauchenden Müttern empfohlen, weiter zu stillen, aber in Gegenwart des Kindes nicht zu rauchen.
Es wurde dokumentiert, dass Marihuana in geringem bis moderatem Maß in die Muttermilch übergeht [46]. In einer Studie wurde in der Milch einer Mutter, die 7- bis 8-mal täglich Marihuana konsumierte, eine THC-Konzentration von 340 µg/l nachgewiesen; bei einer anderen Mutter mit 1-mal täglichem Marihuanakonsum waren es 105 µg/l. THC ist der zentrale psychoaktive Inhaltsstoff von Marihuana [46]. Die Analyse der Muttermilch einer Frau mit langfristigem, intensivem Marihuanakonsum ergab eine 8-mal höhere THC-Konzentration als im Plasma. Jedoch reichte die vom Säugling aufgenommene Dosis wohl noch nicht aus, um bei diesem signifikante Nebenwirkungen hervorzurufen.
Studien belegen, dass Säuglinge Marihuana umfassend resorbieren und verstoffwechseln; die Daten zu den Langzeitfolgen sind jedoch widersprüchlich. In einer Untersuchung von 27 Frauen, die während der Stillzeit regelmäßig Marihuana rauchten, wurden bei den Säuglingen im Hinblick auf das Wachstum und die geistige und motorische Entwicklung keine Normabweichungen festgestellt [47]. In einer anderen Studie hingegen war mütterlicher Marihuanakonsum im 1. Trimenon und in der Stillzeit mit einer leicht eingeschränkten motorischen Entwicklung des Säuglings im Alter von 1 Jahr assoziiert, insbesondere wenn Marihuana im 1. Monat der Stillzeit konsumiert wurde [48]. Auf den geistigen Entwicklungsstand des Säuglings nach 1 Jahr hatte der Marihuanakonsum in der Schwangerschaft und Stillzeit interessanterweise keine erkennbare Auswirkung. Dies lässt vermuten, dass die entwicklungsfördernden Effekte des Stillens die schädlichen Auswirkungen der Marihuana-Exposition teilweise ausgleichen.
In jüngerer Zeit wurden signifikante Studienergebnisse vorgelegt, die dafür sprechen, dass die THC-Exposition in der Schwangerschaft und Stillzeit ebenso wie der chronische Konsum im Jugend- oder jungen Erwachsenenalter zu Veränderungen im endogenen Cannabinoidsystem des Gehirns führen kann [48], [49]. Dieses System ist an der Regulation der Stimmung, des Belohnungszentrums und des zielgerichteten Verhaltens beteiligt. Bei Säuglingen, die ausschließlich über die Muttermilch mit THC in Kontakt gekommen sind, wurden bisher keine negativen Auswirkungen auf die verhaltensneurologische Entwicklung festgestellt [47]. Dennoch sollte Müttern dringend geraten werden, während der Schwangerschaft oder Stillzeit kein Marihuana zu konsumieren.
Während Morphin das weithin bevorzugte Schmerzmittel für stillende Mütter ist, gehen von seinem Diacetyl-Derivat Heroin große Gefahren aus. Heroin wird bisweilen in sehr hohen Dosen konsumiert, was zu entsprechend hohen Konzentrationen im Plasma- und nachfolgend auch im Milchkompartiment führt. Wie bei anderen Opiaten setzt bei anhaltendem Konsum eine Toleranzentwicklung ein, was dazu führen kann, dass Süchtige im Lauf der Zeit außergewöhnlich hohe Dosen anwenden. Hohe Heroindosen stellen die größte Gefahr für gestillte Säuglinge dar.
Mütter mit schwerer Heroinabhängigkeit sollten auf das Stillen verzichten und ihrem Kind stattdessen industriell hergestellte Säuglingsmilchnahrung geben. Methadon ist ein starkes und sehr langzeitwirksames Opiat-Analgetikum, das primär zur Vorbeugung von Entzugserscheinungen bei Opiatabhängigen eingesetzt wird. Im Gegensatz zu Heroin sind alle Stoffwechselprodukte von Methadon inaktiv. Methadon hat ein hohes Verteilungsvolumen und infolgedessen eine niedrige RID (2–6%); durch die moderate orale Bioverfügbarkeit wird die Exposition des Säuglings zusätzlich verringert [50], [51], [52], [53]. Viele Mütter unter extrem hoch dosierter Methadon-Ersatztherapie (> 150 mg/Tag) haben ihre Kinder erfolgreich gestillt. Die Säuglinge gewöhnen sich rasch an diese Dosis in der Milch. Allerdings entwickelt sich bei ihnen auch eine gewisse Abhängigkeit; die Mutter sollte also darauf achten, nicht abrupt abzustillen.
Kokain wirkt stark stimulierend auf das ZNS und geht wahrscheinlich in hohem Maß in die Muttermilch über, allerdings liegen hierzu keine fundierten Daten vor. Die Schätzungen, wie viel Kokain in die Muttermilch übertritt, reichen von 1–10% der mütterlichen Dosis [54], [55]. Kokain wird rasch zu mehreren inaktiven Stoffwechselprodukten abgebaut, die in Drogentests noch einige Tage nach dem Konsum nachweisbar sind. Mütter mit positivem Drogentest können trotzdem sicher stillen, wenn seit dem Konsum genug Zeit vergangen ist. Die inaktiven Stoffwechselprodukte werden nach dem Konsum noch über bis zu 7 Tage mit dem Urin ausgeschieden und in die Muttermilch abgegeben. In der Muttermilch ist wahrscheinlich bereits nach 24 Stunden kein Kokain mehr vorhanden, doch wegen der aufgenommenen Stoffwechselprodukte kann ein Drogentest beim Säugling auch danach noch positiv ausfallen.
Die Milchbildung wird maßgeblich durch die Zeitpunkte und die Häufigkeit des Stillens gesteuert. Manche Mütter bilden nicht genug Milch, obwohl sie sich bemühen, ihr Kind häufig und ausgiebig zu stillen. Alle Faktoren, die eine ausreichende Entleerung der Brust verhindern – ob das Kind sich schlecht anlegen lässt, die Brust zu selten entleert wird oder die Mutter nachts durchschläft – können letztlich dazu beitragen, dass weniger Milch gebildet wird. Die Gründe hierfür sind weitgehend unbekannt, jedoch könnte ein niedriger Prolaktinspiegel im Plasma eine Rolle spielen. Häufiges Anlegen oder Abpumpen könnte hier Abhilfe schaffen. In Fällen, in denen dies nicht gelingt, können Galaktogoga sinnvoll sein, also milchbildungsfördernde Arzneimittel.
Eine wichtige Voraussetzung für die Milchbildung ist ein erhöhter Prolaktinspiegel. Obwohl noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen, scheint die Milchbildung abzunehmen, wenn der Prolaktinspiegel der Mutter unter einen Wert von etwa 50 ng/ml fällt. Die milchbildungsfördernde Wirkung der heutigen klassischen Galaktogoga beruht darauf, dass mehr Prolaktin ausgeschüttet und dieser erhöhte Prolaktinspiegel aufrechterhalten wird.
Metoclopramid ist ein motilitätsfördernder Wirkstoff, der effektiv die Dopaminrezeptoren in der Hirnanhangdrüse blockiert. Es konnte gezeigt werden, dass Metoclopramid bei einigen Müttern die Milchbildung anregt [56], [57], [58], [59]. Es lässt sich zwar nur schwer vorhersagen, welche Frauen in dieser Weise auf das Arzneimittel ansprechen, jedoch sind Frauen mit niedrigem Prolaktinspiegel die idealen Kandidatinnen. Bei der Prolaktin-stimulierenden Wirkung von Metoclopramid scheint es sich um einen dosisabhängigen Effekt zu handeln. Die Standarddosis von 10–15 mg oral 3-mal täglich hat sich als wirksam erwiesen. Die Wirkung setzt in der Regel rasch ein; Mütter bemerken innerhalb von 24–48 Stunden einen deutlichen Anstieg der Milchmenge. Die Metoclopramid-Konzentration in der Milch steigt selbst bei der höchsten Dosierung in den seltensten Fällen auf mehr als 160 µg/l [56].
Ungünstig ist jedoch, dass Metoclopramid die Blut-Hirn-Schranke durchdringt. Eine Nebenwirkung, die bei Müttern unter dieser Medikation häufig auftritt, ist die arzneimittelinduzierte Depression. Weitere Probleme sind extrapyramidale Symptome, Magenkrämpfe und Tardive Dyskinesie. Bei einigen Müttern geht die Milchbildung wieder zurück, wenn sie das Arzneimittel abrupt absetzen, statt es langsam auszuschleichen (Rebound-Phänomen).
Domperidon wird weltweit mit Erfolg eingesetzt, um die Milchbildung anzuregen [60], [61], [62]. Der Wirkstoff ist ebenfalls ein Dopaminantagonist, tritt jedoch im Gegensatz zu Metoclopramid nicht durch die Blut-Hirn-Schranke. In der Muttermilch erreicht Domperidon nur eine extrem niedrige Konzentration (etwa 1,2 ng/ml), und seine orale Bioverfügbarkeit liegt unter 20% [61].
In seltenen Fällen, insbesondere bei älteren Männern, kann Domperidon das QT-Intervall verlängern. Der Rezeptor des Kaliumkanals ist an der Repolarisation der Herzmuskelzellen beteiligt, weshalb eine Blockade der Kaliumkanäle durch Domperidon zu Herzrhythmusstörungen führen kann. Diese Nebenwirkung kommt zwar nicht häufig vor, dennoch sollte das Arzneimittel bei Müttern mit vorbestehenden Herzrhythmusstörungen, insbesondere Long-QT-Syndrom, nicht angewendet werden. Hier ist zu beachten, dass das QT-Syndrom dosisabhängig ist; Dosen über 60 mg/Tag sind zu vermeiden. Studienergebnisse belegen, dass die Prolaktinspiegel im Plasma unter einer Dosis von 30 mg/Tag fast genauso hoch sind wie unter einer Dosis von 60 mg/Tag [63]. Dies lässt vermuten, dass Dosen über 30–60 mg/Tag wohl keine weitere Erhöhung des Prolaktinspiegels bewirken.
Alle Arzneimittel gehen zu einem gewissen Grad in die Muttermilch über, fast immer jedoch in einer subklinischen Dosis. Daher sollte den meisten Müttern geraten werden, ihre Kinder weiterhin zu stillen. Bei einigen Wirkstoffklassen besteht jedoch ein erhöhtes Risiko, das KlinikerInnen im Blick haben sollten. Dies gilt insbesondere für Krebs- und Stoffwechselmedikamente, radioaktive Wirkstoffe sowie Mittel, die spezifisch die Milchbildung hemmen, wie z.B. Mutterkornalkaloide oder Östrogenantagonisten.
In jedem Fall müssen KlinikerInnen zunächst das relative Risiko für den Säugling beurteilen. Hierbei sind die absolute oder relative Dosis, die der Säugling mit der Milch aufnimmt, und die Nachteile des Nichtstillens für den Säugling zu berücksichtigen. Bei Kindern, die mit industriell hergestellter Säuglingsmilchnahrung ernährt werden, kommen Erkrankungen des Verdauungstrakts, Infektionen der oberen Atemwege und andere Erkrankungen häufiger vor als bei Kindern, die Muttermilch bekommen.
Der Allgemeinzustand des Säuglings muss gründlich untersucht werden. Besonders empfindlich gegenüber Arzneimitteln in der Muttermilch sind Frühgeborene, schwache Säuglinge sowie Säuglinge mit Apnoe oder geringer renaler Clearance, während ältere Säuglinge weniger anfällig sind. Da die Muttermilchmenge mit der Zeit abnimmt, insbesondere nach 6 Monaten, nehmen die Säuglinge so auch stetig abnehmende Dosen der von der Mutter angewandten Arzneimittel auf. 12 Monate nach der Geburt geht die Milchmenge häufig deutlich zurück. Zugleich ist die Fähigkeit des Kindes, Arzneimittel abzubauen und über die Nieren auszuscheiden, nahezu voll entwickelt.
Bei den meisten Arzneimitteln liegt die Wirkstoffmenge, die der Säugling mit der Muttermilch aufnimmt, weit unter 4% der mütterlichen Dosis. Die Menge, die vom Säugling tatsächlich resorbiert wird, dürfte noch geringer sein. Diese Wirkstoffmenge wird von gesunden Säuglingen meist gut vertragen, ohne unerwünschte Wirkungen. Wenn hingegen die RID im Bereich von 7–10% oder höher liegt und die Toxizität des Arzneimittels zunimmt, sollten KlinikerInnen nur mit Vorsicht zum Stillen raten. In solchen Fällen kann mit Hilfe kurzer Stillunterbrechungen verhindert werden, dass der Säugling hohen Wirkstoffdosen in der Muttermilch ausgesetzt wird. Das Zufüttern mit industriell hergestellter Säuglingsmilchnahrung kann ein Weg sein, die Wirkstoffexposition des Säuglings gering zu halten und dabei der Mutter zu ermöglichen, ihr Kind zumindest teilweise zu stillen.
In fast jeder Situation gibt es zahlreiche Arzneimittel, mit denen sich spezifische Syndrome sicher behandeln lassen. KlinikerInnen sollten jedoch darauf achten, Wirkstoffe mit einer niedrigen RID zu wählen. Das ist meist nicht weiter schwierig, da es mittlerweile Hunderte von Studien gibt, in denen die Anwendung von Arzneimitteln in der Stillzeit beurteilt wurde Fast immer lässt sich ein geeignetes Arzneimittel finden, das es der Mutter erlaubt, ihr Kind weiterhin zu stillen [64].
In erster Linie stellt das Stillen die gesündeste Ernährung dar, die eine Mutter ihrem Kind geben kann. Der Nutzen für das Immunsystem und die allgemeine Gesundheit ist in der Literatur überzeugend dokumentiert. Eine unnötige Unterbrechung des Stillens, z.B. für eine Behandlung mit einem relativ sicheren Arzneimittel, sollte möglichst vermieden werden.
Alle Arzneimittel gehen zu einem gewissen Grad in die Muttermilch über, jedoch haben die meisten nur geringe oder gar keine Auswirkungen auf das Kind; Müttern sollte daher in den meisten Fällen dazu geraten werden, weiterhin zu stillen.
Bei einigen Wirkstoffklassen besteht ein erhöhtes Risiko, das KlinikerInnen im Blick haben sollten. Dies gilt insbesondere für Krebs- und Stoffwechselmedikamente, radioaktive Wirkstoffe sowie Mittel, die spezifisch die Milchbildung hemmen, wie z.B. Mutterkornalkaloide oder Östrogenantagonisten.
Bei der Nutzen-Risiko-Analyse muss sowohl die Gesundheit der Mutter als auch die des Säuglings berücksichtigt werden. KlinikerInnen müssen die relativen Risiken beurteilen, indem sie die Dosis, die der Säugling aufnimmt, gegen die Nachteile des Nichtstillens für den Säugling abwägen. Besondere Vorsicht ist bei Frühgeborenen geboten, die hochempfindlich gegenüber Arzneimitteln sind.
Die relative Säuglingsdosis (Relative Infant Dose, RID) ist ein standardisiertes Maß für die Exposition gegenüber Wirkstoffen, die mit der Muttermilch aufgenommen wurden. Bei einer RID unter 7–10% sollten ÄrztInnen in Betracht ziehen, der Mutter zum fortgesetzten Stillen zu raten.
Für die meisten Krankheitsbilder gibt es eine medikamentöse Therapie, unter der die Mutter weiterhin stillen kann. Aktuelle Informationen zum Thema Arzneimittel und Stillen: http://www.medsmilk.com