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3 Datenerhebung zur Säuglingsernährung

Published onJul 01, 2018
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3 Datenerhebung zur Säuglingsernährung
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3 Datenerhebung zur Säuglingsernährung


Maria Quigley

Zentrale Lerninhalte

  • Datenquellen und die Bedeutung von Datenerhebungen

  • Wichtigste Methoden der Datenerhebung

  • Grundsatzüberlegungen zur Datenerhebung

3.1. Datenerhebung zur Säuglingsernährung

3.1.1. Welche Daten müssen erhoben werden?

Laut Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollte das Stillen innerhalb der ersten Stunde nach der Geburt aufgenommen und der Säugling in den ersten 6 Lebensmonaten ausschließlich gestillt werden. Bis zu einem Alter von mindestens 2 Jahren sollte das Stillen fortgesetzt und zusätzlich Beikost gefüttert werden. Die WHO hat Indikatoren auf Bevölkerungsebene für die Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern erarbeitet [1]. Mit diesen Indikatoren können die Muster der Säuglingsernährung in verschiedenen Ländern miteinander verglichen und Trends im Zeitverlauf beschrieben werden. Außerdem lassen sich damit auch die Fortschritte hinsichtlich der Umsetzung von Zielen kontrollieren. Die Indikatoren beziehen sich auf folgende Stillpraktiken:

  • früher Stillbeginn

  • Dauer des Stillens

  • Dauer des ausschließlichen Stillens

  • jemals gestillt

Im weiteren Verlauf dieses Kapitels wird erörtert, wie Daten über Stillpraktiken erfasst werden und welche potenziellen Probleme mit der Datenerhebung einhergehen können.

3.1.2. Von wem und wie werden Daten erhoben?

Daten zum Stillen werden auf unterschiedliche Art und Weise erhoben; prinzipiell handelt es sich dabei um Umfragen zum Stillen sowie um epidemiologische Untersuchungen und Studien. Diese werden im Folgenden beschrieben.

Umfragen zu Stillpraktiken

Ein wichtiges Verfahren zur Erhebung zuverlässiger Daten über Stillpraktiken sind große Umfragen. Nationale Erhebungen mit einem Schwerpunkt auf der Säuglingsernährung wurden bereits in vielen Ländern durchgeführt, u. a. im Vereinigten Königreich (die Infant Feeding Surveys wurden zwischen 1975 und 2010 alle 5 Jahre durchgeführt) und den USA (Längsschnittstudien IFPS I und IFPS II zu Säuglingsernährungspraktiken, durchgeführt in den Jahren 1992–1993 und 2005). In Australien erfolgte im Jahr 2010 die erste nationale Umfrage zur Säuglingsernährung. In manchen Ländern werden keine speziellen Befragungen zur Ernährung von Säuglingen durchgeführt, stattdessen enthalten andere regelmäßige nationale Erhebungen ein Fragenmodul zur Säuglingsernährung. Die französischen nationalen Umfragen zur Perinatalgesundheit aus den Jahren 1995, 1998, 2003, 2010 und 2016 sowie die in Kanada seit dem Jahr 2000 jährlich durchgeführte Gesundheitsumfrage Canadian Community Health Survey (CCHS), beinhalten bspw. eine Komponente zur Säuglingsernährung, die eine Beobachtung der Stillpraktiken ermöglicht.

In zahlreichen Ländern wie England, Schottland und Neuseeland werden Daten zur Mutterschaft Patientenakten und anderen routinemäßig erhobenen Datenquellen entnommen. Diese Daten, die Angaben zum Stillen enthalten, werden häufig über mehrere Jahre hinweg zusammengetragen und erlauben so eine Trendbeobachtung hinsichtlich der Stillpraktiken über einen längeren Zeitraum.

Die Erhebung von Daten zu Stillpraktiken erfolgt gelegentlich auch über groß angelegte einmalige Untersuchungen, wie etwa nationale Geburtskohortenstudien. So wurden bspw. anhand der norwegischen Mutter-Kind-Kohortenstudie (MoBa) und der Millennium Cohort Study im Vereinigten Königreich Stillmuster zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt beschrieben [2], [3].

Alle oben genannten Quellen werden z.B. herangezogen, um anhand nationaler Daten zu Stillpraktiken in bestimmten Säuglingsaltersgruppen zu beschreiben, wie hoch der Anteil an Babys ausfällt, die jemals, nach wie vor oder ausschließlich gestillt werden. Wenn Daten auf einheitliche Art und Weise erhoben werden, lassen sich Trends über einen längeren Zeitraum untersuchen. So ist etwa in Abb. 3.1 dargestellt, wie sich der Anteil der bis zum Alter von 6 Monaten gestillten Säuglinge im UK Infant Feeding Survey zwischen 1995 und 2010 verändert hat [4]. Während der Anteil der Säuglinge, die anfangs gestillt wurden, von 66% im Jahr 1995 auf 81% im Jahr 2010 angestiegen ist, zeigt sich über denselben Zeitraum ein vergleichbarer Rückgang der Stillraten im Verlauf der ersten Lebenswochen.

Abb. 3.1

Abb. 3.1 Stillprävalenz bis zu einem Alter von 6 Monaten nach Jahr (Vereinigtes Königreich, 1995–2010). (Quelle: McAndrew, et al. Infant Feeding Survey 2010. Leeds: Health and Social Care Information Centre)

Die Stilldaten aus verschiedenen nationalen Quellen werden häufig in weltweiten Datenbanken zusammengeführt, z. B. in der Familiendatenbank der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der Global Database on Infant and Young Child Feeding. In der OECD-Familiendatenbank wurden Daten zu Stillraten analysiert, die von nationalen Gesundheitsbehörden oder aus nationalen Umfragen stammten [5]. Demnach fiel der Anteil an Säuglingen, die jemals gestillt wurden, um das Jahr 2005 in den OECD-Ländern sehr unterschiedlich aus. Er schwankte zwischen unter 50% in Irland und annähernd 100% in Norwegen, Dänemark und Schweden. Auch die Raten für ausschließliches Stillen wurden zwischen Ländern mit vorliegenden Daten verglichen. Der Anteil an Säuglingen, die ausschließlich gestillt wurden, lag im Alter von 3 Monaten bei knapp 50%, im Alter von 6 Monaten jedoch unter 25%, allerdings bei starken Schwankungen im Ländervergleich (Abb. 3.2).

Abb. 3.2

Abb. 3.2 Anteil der Kinder, die um das Jahr 2005 im Alter von 3, 4 bzw. 6 Monaten ausschließlich gestillt wurden. Quelle: OECD Family Database (http://www.oecd.org/els/family/database.htm)

Die von UNICEF geführte Global Database on Infant and Young Child Feeding enthält Daten aus 440 nationalen Haushaltserhebungen in 140 Ländern. Die Daten werden jährlich aktualisiert und für einen internationalen Vergleich der Stillraten herangezogen. Mithilfe eines speziellen Instruments, der Global Breastfeeding Scorecard, wird anhand von Berichten an die Datenbank dokumentiert, wann ein Land zuletzt weltweit vergleichbare Daten über ausschließliches Stillen erhoben hat. Anhand der Global Database werden die durchschnittlichen Raten für das ausschließliche Stillen von Säuglingen im Alter von 0–5 Monaten auf globaler und regionaler Ebene ermittelt [6]. Den Ergebnissen zufolge, hat sich die durchschnittliche Rate für ausschließliches Stillen von 33% im Jahr 1995 auf 39% im Jahr 2010 erhöht, wobei der stärkste Anstieg in West- und Zentralafrika zu verzeichnen ist (Abb. 3.3).

Abb. 3.3

Abb. 3.3 Trends bezüglich des ausschließlichen Stillens von unter 6 Monate alten Säuglingen. (Quelle: Cai X, Wardlaw T, Brown DW. 2012. Global trends in exclusive breastfeeding. Int Breastfeed J. 2012; 7: 12)

Bei diesen globalen Datenbanken werden zudem die jeweiligen Datenquellen angegeben. Dies ist hilfreich, wenn ausführlichere Informationen aus einer bestimmten Quelle benötigt werden.

Bei der Auswertung von Daten aus einer bestimmten Quelle oder dem Vergleich von Daten aus verschiedenen Quellen ist Vorsicht geboten, da Stillindikatoren unterschiedlich definiert sind (siehe Erläuterungen im nächsten Abschnitt) und den Studienpopulationen keine einheitlichen Ein- und Ausschlusskriterien zugrunde liegen. Viele Erhebungen und Studien sind auf die Population einer bestimmten geografischen Region, z. B. eines Landes, oder eines großen Krankenhauses beschränkt. Daher ist es wichtig zu wissen, welcher Personenkreis in die Studie aufgenommen wurde. Umfasst die Studie bspw. nur alle Geburten in einer bestimmten Population oder alle Mütter in einer bestimmten Region oder alle Mütter, die ihr Kind in einem bestimmten Krankenhaus zur Welt gebracht haben? Oder beschränken sich die Daten auf bestimmte Gruppen, wie bspw. Einzelkinder oder voll ausgetragene Säuglinge?

Epidemiologische Untersuchungen und Studien mit dem Schwerpunkt Stillen

Randomisierte kontrollierte Studien zu Stillprogrammen

Es liegt bereits eine Vielzahl randomisierter kontrollierter Studien zum Thema Stillen vor. In diesen Studien werden in der Regel detaillierte prospektive Daten über das Stillen von Säuglingen erhoben. Darüber hinaus ermöglichen sie eine Beschreibung der Stillmuster in der untersuchten Studienpopulation. Als Beispiel sei hier die in Weißrussland durchgeführte clusterrandomisierte Studie PROBIT genannt, in deren Rahmen eine Intervention zur Stillförderung beurteilt wurde [7]. Die Studie lieferte Stilldaten über 16 491 Mutter-Kind-Paare und ermöglichte einen Vergleich der Stilldauer, ausschließliches Stillen eingeschlossen, in den Interventions- und Kontrollarmen. Die clusterrandomisierte PROMISE-Studie zur Beurteilung einer Stillberatung durch Peers wurde in Gemeinschaften in Burkina Faso, Uganda und Südafrika durchgeführt [8]. Diese Studie lieferte Daten aus diesen 3 Ländern zur Prävalenz des ausschließlichen Stillens bei 2579 Mutter-Kind-Paaren, 12 und 24 Wochen nach der Geburt.

Epidemiologische Studien zum Stillen

Darüber hinaus gibt es umfangreiche Literatur über den Zusammenhang zwischen dem Stillen und spezifischen Auswirkungen bei Mutter und Kind. Dabei handelt es sich in der Regel um epidemiologische Studien, etwa Fallkontroll-, Querschnitts- oder Kohortenstudien, bzw. um entsprechende Übersichtsarbeiten und Metaanalysen.

Im Rahmen der prospektiven Geburtskohortenstudie Western Australia Pregnancy Cohort Study wurden im Zeitraum von 1989–1992 insgesamt 2,602 lebend geborene Säuglinge untersucht [9]. In dieser Studie wurde der Zusammenhang zwischen der Stilldauer und den Auswirkungen bei Kindern im Säuglingsalter und in der späteren Kindheit erforscht. Die Eltern erhielten am Tag der Geburt eine Tagebuchkarte und wurden gebeten, diese täglich auszufüllen und darin die Stillhistorie und Krankheiten während des ersten Jahres festzuhalten. Die Stilldaten wurden also prospektiv erfasst.

Die Millennium Cohort Study im Vereinigten Königreich stützt sich auf eine landesweit repräsentative populationsbezogene Kohorte von 18,818 Säuglingen, die in den Jahren 2000–2001 geboren wurden [3]. Es wurden Säuglinge im Alter von rund 9 Monaten in die Studie aufgenommen, und mithilfe von Elterngesprächen – gewöhnlich mit der Mutter – wurden Daten über das Stillen, den Gesundheitszustand des Kindes und andere Faktoren erhoben. Anhand der Fragen zur Säuglingsernährung konnten die ForscherInnen abschätzen, wie lange die Säuglinge „überhaupt“ und ausschließlich gestillt wurden. Die Daten wurden auch im Hinblick auf die Auswirkungen bei Säuglingen und – auf Grundlage von später in derselben Kohorte erhobenen Daten – bei Kindern ausgewertet.

Die norwegische Mutter-Kind-Kohortenstudie (MoBa) beruht auf einer landesweiten populationsbezogenen Schwangerschaftskohorte [2]. Dabei wurden mithilfe eines Fragebogens Stilldaten von 29,621 Müttern erhoben, als die im Zeitraum von 2002–2005 geborenen Kinder 6 Monate alt waren. Auf Grundlage dieser Studiendaten erfolgte eine Beschreibung von Stillmustern und Faktoren, die Stillmuster prognostizieren.

Langfristige Auswirkungen des Stillens

Zu den langfristigen Auswirkungen des Stillens liegen zahlreiche Studien vor. Im Rahmen einer prospektiven, populationsbezogenen Geburtskohortenstudie wurden Kinder nachverfolgt, die im Jahr 1982 in Pelotas (Brasilien) geboren wurden. Als diese 30 Jahre alt waren, wurden ihr IQ, ihr Bildungsniveau und ihr Einkommen bewertet [10]. Daten zur Stilldauer wurden erhoben, als die Kleinkinder im Durchschnitt 19 Monate alt waren.

Langfristige Auswirkungen der Laktation bei Müttern

Die meisten zum Stillen durchgeführten Studien befassten sich überwiegend mit Auswirkungen beim Kind. Viele Studien haben jedoch ebenfalls Auswirkungen auf die Mutter untersucht. Der Zusammenhang zwischen dem Stillen und dem Risiko, dass die Frau später im Leben an Brustkrebs erkrankt, ist ein interessantes Beispiel. Eine Untersuchung analysierte Daten aus 47 epidemiologischen Studien in 30 Ländern im Rahmen einer Metaanalyse der Daten einzelner Teilnehmerinnen [11]. Die Studie umfasste Daten von 50,302 Frauen mit invasivem Brustkrebs und von 96,973 Kontrollprobandinnen ohne Brustkrebs. Dabei wurde die Gesamt-(Lebenszeit-)Stilldauer einer Frau gemessen. Hatte eine Frau bspw. 3 Kinder, die jeweils 4 Monate gestillt wurden, so betrug ihre Gesamtstilldauer 12 Monate. Hier wurden die Daten retrospektiv erhoben – Jahrzehnte nachdem die Frau ihre Kinder zur Welt gebracht hatte.

Besondere Populationen wie Frühgeborene und Mehrlinge

Die Ernährungsmuster sind bei manchen Gruppen von Säuglingen komplexer als dies allgemein der Fall ist, und diese Gruppen müssen separat untersucht werden. Im Rahmen der populationsbezogenen MOSAIC-Studie wurden sehr früh geborene Kinder in 10 europäischen Regionen untersucht [12]. Auf Grundlage von Patientenakten wurden nach einem gemeinsamen Protokoll Daten über Merkmale der Mutter und des Kindes erhoben, so auch über die Säuglingsernährung. Abb. 3.4 zeigt die Raten für ausschließliches bzw. nicht ausschließliches Stillen bei sehr früh Geborenen zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus. Dargestellt sind die Raten in jeder Studienregion im Vergleich zu den jeweiligen nationalen Stillraten.

Abb. 3.4

Abb. 3.4 Raten für ausschließliches bzw. nicht ausschließliches Stillen bei sehr früh Geborenen zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus in jeder Studienregion sowie nationale Stillraten (schwarze Sternchen). (Quelle: Bonet M, et al. Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed. 2011; 96: F450–F452)

Die Datenlage zum Stillen von Mehrlingen ist spärlich, da Mehrlingsgeburten in vielen Studien ausgeschlossen werden. Im Zeitraum 2001–2004 wurde in Nishinomiya City, Japan, eine große Studie zum Vergleich der Stillraten bei Einzelkindern, Zwillingen und Drillingen durchgeführt. Die Daten stammten aus einer nahezu bevölkerungsweiten Vorsorgeuntersuchung bei Säuglingen im Alter von 3–6 Monaten [13]. Es lagen Daten zu 14 963 Einzelkindern, 290 Zwillingen und 9 Drillingen (0,1 %) vor. Zwischen diesen 3 Gruppen wurden die Stillraten im Alter von 3–6 Monaten verglichen.

3.2. Probleme bei der Datenerhebung

Wenn Stilldaten aus einer bestimmten Quelle interpretiert oder Daten aus verschiedenen Quellen miteinander verglichen werden, ist grundsätzlich zu beachten, mit welcher Methodik die Daten erhoben wurden, wie der Begriff Stillen jeweils definiert ist und wie sich die Studienpopulation zusammensetzt.

Verschiedene Quellen von Stilldaten können sich auch in Bezug auf die Ein- und Ausschlusskriterien der jeweiligen Studienpopulation unterscheiden. Häufige Ausschlusskriterien sind Frühgeborene und/oder Babys mit niedrigem Geburtsgewicht sowie Mehrlinge. In manche Studien werden auch Mehrlinge aufgenommen, wobei jedoch lediglich die Daten eines der Mehrlingskinder in einem Datensatz erfasst werden.

Da Stilldaten häufig retrospektiv erhoben werden, besteht die Gefahr von Erinnerungsverzerrungen, auch als Recall Bias bezeichnet. Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Mehrheit der Mütter die Stilldauer bis zu 3 Jahre nach der Geburt ihres Kindes mit einer Abweichung von +/- 1 Monat korrekt angibt. Die Daten bezüglich der Einführung fester Nahrung (erforderlich zur Ermittlung der Dauer des ausschließlichen Stillens) sind dagegen weniger zuverlässig [14]. Ein besonderes Problem stellen Rundungsfehler dar: Stillt eine Mutter ihr Baby bspw. im Alter von 6 Monaten ab, könnte dies entweder als Stillen über 6 Monate oder Stillen über weniger als 6 Monate angegeben werden.

Bei Stilldaten kann es häufig auch zu Verzerrungen durch selektives Berichten (Reporting Bias) kommen. In vielen Situationen geben Frauen die Dauer, über die sie ihr Kind gestillt haben, möglicherweise zu hoch an, da sie dies als gesellschaftlich wünschenswert betrachten. Dies dürfte stärker ins Gewicht fallen, wenn Frauen zum Thema Stillen befragt werden, als wenn die Frauen selbstständig einen Fragebogen ausfüllen oder ein Tagebuch führen.

Das vielleicht größte Problem bei der Erfassung von Daten über das Stillen besteht in Klassifikationsfehlern. Ernährungsmuster bilden komplexe und dynamische Prozesse ab, und die präzise Erfassung von Stilldaten gestaltet sich häufig schwierig – insbesondere, wenn die Erhebung anhand einer begrenzten Zahl von Fragen zu einem einzigen Zeitpunkt erfolgt. Einige der häufigsten Probleme werden im Folgenden erläutert.

3.2.1. Wie ausschließlich ist ausschließliches Stillen?

Der Begriff des ausschließlichen Stillens wird in Datenquellen häufig unterschiedlich definiert [15]. Damit kann gemeint sein, dass das Baby in den vergangenen 24 Stunden ausschließlich gestillt wurde oder dass das Baby bis zum aktuellen Lebensalter ausschließlich Muttermilch erhalten hat. Die Antworten auf diese Frage können außerdem schwanken, je nachdem, ob die Definition auch das Füttern abgepumpter/ausgestrichener Muttermilch oder nur das Trinken direkt an der Brust umfasst.

3.2.2. Fällt die Fütterung mit Muttermilch auch unter den Begriff Stillen?

Ein weiteres häufiges Problem betrifft die Klassifizierung von abgepumpter/ausgestrichener Muttermilch. Bei der Befragung von Müttern, ob sie ihr Baby jemals gestillt haben oder wann das Baby zuletzt gestillt wurde, könnte sich folgendes Problem ergeben: Mütter, die ihr Kind mit abgepumpter/ausgestrichener Muttermilch füttern, entweder ausschließlich oder in Kombination mit direktem Stillen, wissen möglicherweise nicht, wie sie diese Frage beantworten sollen. Die Frage könnte von Müttern mit demselben Stillmuster unter Umständen unterschiedlich beantwortet werden. Die Erfassung präziser Daten ist überaus wichtig, insbesondere, wenn es um Gruppen von Müttern geht, bei denen das Abpumpen/Ausstreichen von Muttermilch relativ verbreitet ist. Typische Beispiele sind Mütter von Frühgeborenen oder Mütter, die in den Beruf zurückkehren.

3.2.3. Erfassung komplexer Ernährungsdaten: Frühgeborene, Mehrlinge

Sehr früh geborene Säuglinge haben meist komplexe Ernährungsmuster. Sie werden unter Umständen mit abgepumpter/ausgestrichener Muttermilch (von der Mutter oder einer Spenderin) und/oder Säuglingsmilchnahrung per Sonde, Tasse oder Flasche gefüttert; außerdem können sie auch direkt an die Brust angelegt werden. Diese Ernährungsmuster können sich in einem komplexen, dynamischen Prozess verändern (und wiederholen). Mehrlinge werden oftmals sehr früh geboren und weisen komplexe Ernährungsmuster auf, die sich zwischen den einzelnen Kindern auch unterscheiden können. Mehrlingsgeburten werden in zahlreichen Studien ausgeschlossen. Oder, wenn die Studien Mehrlingsgeburten einschließen, werden häufig nur die Daten eines der Zwillinge oder Drillinge berücksichtigt. Dieses Konzept ist mit der Einschränkung verbunden, dass keine Modifikation der Säuglingsernährungsmuster erfassbar ist. Auch wenn die Ernährungsmuster eines Zwillingspaares oder unter Mehrlingen in der Regel weitgehend vergleichbar sind, können sie sich doch in einzelnen Aspekten voneinander unterscheiden.

3.3. Fazit

Datenerhebungen sind wichtig, um Fortschritte bei der Umsetzung langfristiger globaler Ziele, z. B. der Ziele für nachhaltige Entwicklung, zu kontrollieren. Es ist wichtig, Trends zu beobachten und Abweichungen einzelner Länder abzubilden. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass die Erhebung präziser Daten durch zahlreiche Faktoren verzerrt werden kann. Hierzu zählen uneinheitliche Definitionen der Stillindikatoren, unterschiedliche Ein- und Ausschlusskriterien sowie geografische Beschränkungen. Es gibt keine globalen Standards, die eine präzise Erhebung von Daten unterstützen. Die Entwicklung einer einheitlichen Methode der Datenerhebung wäre für das Langzeit-Monitoring von Stillstatistiken mit Sicherheit von Vorteil.

Kernpunkte

  • Die Erfassung von Daten über die Säuglingsernährung erfolgt hauptsächlich länderspezifisch; die Daten stehen in verschiedenen globalen Datenbanken zur Verfügung. Diese Datenbanken sind nicht unbedingt vergleichbar, was eine gebündelte Analyse erschwert.

  • Die Datenerfassung lässt sich grob in folgende Kategorien einteilen:

    • Erhebungen zur Praxis der Säuglingsernährung auf nationaler oder globaler Ebene anhand von Geburtskohorten oder von Mutterschaftsdaten aus Patientenakten und

    • epidemiologische Untersuchungen und Studien zu Stillinterventionen, Auswirkungen auf Mutter und Kind und besonderen Säuglingspopulationen (Früh- und Mehrlingsgeburten).

  • Bei der Datenauswertung ist es wichtig, etwaigen Inkonsistenzen bezüglich Terminologie oder Datenerfassungsmethoden Rechnung zu tragen. Dies würde durch eine Entwicklung von Standardverfahren und einheitlichen Terminologien erleichtert.

Prof. Maria Quigley, MSc, BA, ist Professorin für Statistische Epidemiologie an der National Perinatal Epidemiology Unit, University of Oxford. Sie hat eine Vielzahl von Arbeiten zu Themen rund um die Ernährung von Säuglingen publiziert, darunter epidemiologische Studien zu Gesundheits- und Entwicklungsergebnissen, die mit der Säuglingsernährung assoziiert sind, aber auch Studien zur Schätzung der Kosten, die im Vereinigten Königreich durch das Nichtstillen entstehen. Sie ist Autorin einer Cochrane-Übersichtsarbeit zum Thema Spenderinnenmilch bei Frühgeborenen und von Leitlinien für die Säuglingsernährung bei Mehrlingsgeburten.

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